Kommentar Die SPD-Rentendebatte - Hartz-Erben

Die Auseinandersetzung um die Rentenpolitik der SPD erlaubt einen tiefen Einblick in den Zustand der größten Oppositionspartei. Sie beginnt, unter ihrem schweren Hartz-IV-Erbe zu stöhnen.

Denn die Debatte um die künftige Rentenpolitik der Partei ist die Konsequenz einer Kontroverse aus den Schröder-Zeiten, in der eine rot-grüne Regierung beharrlich gesellschaftliche Strukturreformen gegen den Widerstand der Partei-Linken durchboxte. Mit dem Kanzler-Abgang, der nicht zuletzt dem mutigen sozialpolitischen Umbau des Landes geschuldet war, wurde innerparteilich ein scheinbarer Schlussstrich unter die Debatte gezogen. Die Partei habe sich mit den Hartz-Reformen versöhnt, so Schröders kühne Schlussfolgerung.

Die rentenpolitische Debatte hat alte innerparteiliche Wunden wieder aufgerissen. Der inhaltliche Streit wird teilweise über den sozialpolitischen Horizont der Partei-Linken weit hinausgehen. Die Rentenniveau-Senkung ist kein Hirngespinst neoliberaler Bösewichter. Die Pläne reflektieren die Zwänge, die der demografische Wandel schafft. Bald muss ein Rentenversicherungszahler einen Rentner komplett finanzieren. Die Beitrags-Belastung wird aber für die im Erwerbsleben stehenden Erwachsenen so hoch sein, dass das Arbeiten nicht mehr lohnenswert erscheint. Politik kann und darf eine solche Realität nicht weiter verschlafen, sondern muss Hebel ansetzen. Die langfristige Senkung des Rentenniveaus zählt sicher zu den unbequemen Maßnahmen, die eine Regierung, egal welcher Couleur, auf die Agenda setzen muss. Die Beschlusslage des SPD-Vorstandes reflektiert diese Problematik aber nur ansatzweise, weil sie die Höhe des Rentenniveaus für die nächsten zwei Monate offen lässt. Dahinter verbirgt sich eine tiefe Ratlosigkeit in der Frage, wie man das Rententhema innerparteilich am wenigsten schmerzhaft in die Bundestagswahl-Auseinandersetzung einbringen kann. Und zu diesem Zusammenhang zählt eben auch die Rente mit 67 Jahren - eine weitere offene Wunde bei den Programmanstrengungen für die Bundestagswahl 2013.

Ein Kernproblem der SPD liegt aber gerade im personellen Bereich: Drei Köpfe machen allein noch keine regierungsfähige Partei. Sigmar Gabriel wird sich als Architekt einer sozialdemokratischen Rentenreform feiern lassen. Aber der alle überraschende Vorstoß zur Renten-Reform reicht nicht aus, um ein Kernproblem zu lösen: Seine Sprunghaftigkeit. Das genaue Gegenteil ist Frank-Walter Steinmeier, der Politik gewiss seriös verkörpert. Und Peer Steinbrück: Die Chancen hängen eng davon ab, dass sich die Partei-Linke mit ihm arrangiert.

Übrigens: Von den drei Kanzlerkandidaten-Anwärtern hat niemand bislang eine Wahl gewinnen können. Das soll nichts heißen, bestätigt aber die zur Zeit etwas maue Lage der Sozialdemokraten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Demokraten zeigen Zähne
Kommentar zur Situation der AfD Die Demokraten zeigen Zähne
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort