Kommentar Die Parteien und die Medien - Glaubwürdigkeit

Wenn in den nächsten Tagen weitere Anrufe von Politikern oder Pressesprechern in den Redaktionen öffentlich-rechtlicher Sender bekannt werden sollten, so mag man sich darüber empören. Dann mag man, je nach Partei-Interesse und eigener Parteifarbe, die fehlende Moral des politischen Gegners anprangern, ja den fehlenden Respekt der bösen anderen Parteien vor der Presse- und Meinungsfreiheit verurteilen.

Doch unabhängig von diesem größtenteils scheinheiligen Gejammer bleibt festzuhalten: Die Versuche der Einflussnahme aus der Politik - im Übrigen je nach Thema auch aus der Wirtschaft, aus Gewerkschaften, aus Kirchen, aus Sport-Gremien, aus Kulturkreisen - gibt es, seit es Medien gibt. Die Medien informieren, unterhalten, zeigen Hintergründe auf, ordnen ein, kommentieren, tragen zur Meinungsbildung bei. Deshalb sind sie, ob in Print oder digital, wichtiger Bestandteil der Demokratie. Und deshalb wiederum sind sie Zielobjekt von Pressesprechern, von Lobbyisten.

Das ist grundsätzlich auch in Ordnung, weil das Vertreten von unterschiedlichen Interessen und Meinungen zu einer lebendigen Gesellschaft und zu einem funktionierenden Staatswesen gehört. Was die versuchten Einflussnahmen auf Medien angeht, so gehören sie also zum Mit- und Gegeneinander der beteiligten Seiten.

Schädlich werden diese Versuche erst, wenn sie erfolgreich sind. Medien werden ihrer Aufgabe und ihrer Verantwortung gegenüber Lesern, Hörern und Zuschauern dann nicht gerecht, wenn sie kein Rückgrat zeigen. Demokratie braucht unabhängige Redaktionen und Meinungsvielfalt. Und Redaktionen müssen sich das Vertrauen immer wieder erarbeiten, indem sie gegenüber Einflüsterungen und parteipolitisch motivierten Beschwerden standhaft bleiben. Das macht den Alltag nicht leichter, gehört aber zum Beruf, zur Verantwortung. Und es sichert die Zukunft von Qualitätsmedien, die neben Kompetenz und Professionalität vor allem eines brauchen: Glaubwürdigkeit.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben das besondere Problem, dass ihre Programmdirektionen, Fernsehräte und sonstigen Gremien maßgeblich von aktiven Politikern und damit von Parteien beeinflusst werden. Und je länger Parteien in einem Bundesland regieren, desto schwieriger wird es für die Redaktionen, politische Einflussnahmen abzuwehren und als glaubwürdig und parteiübergreifend zu gelten. Der Bayerische Rundfunk im Süden, aber auch der WDR im Westen oder der Mitteldeutsche Rundfunk im Osten unserer Republik können ein Lied davon singen.

Insofern ist die aktuelle Affäre eine weitere Chance, die Dominanz der Parteien in öffentlich-rechtlichen Gremien als überholt und langfristig schädlich zu entlarven. Ob dies zu Veränderungen führt, muss jedoch bezweifelt werden. Wenn sich Parteien erst einmal Macht und Einfluss aufgeteilt haben, lassen sie nicht mehr los.

Beim ZDF sollen die aktuellen Ereignisse jetzt von den zuständigen Gremien, also dem ZDF-Fernsehrat, aufgearbeitet werden. Hier sitzen alle Generalsekretäre der Parteien zusammen. Da mag man eine Vorstellung von unabhängiger Aufarbeitung haben. Doch letztlich entscheidet ohnehin das Handeln der Redaktionen. Und die bleiben nur glaubwürdig, wenn sie standhaft bleiben.

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