Kommentar Deutschland/Griechenland - Unter Partnern

Partner sind keine Bittsteller. Selbst wenn sie noch so in Nöten sind. Aber Partner haben Pflichten, gerade wenn sie in (selbst verschuldeten) Nöten sind.

Alexis Tsipras, seit acht Wochen Ministerpräsident einer Links-Rechts-Regierung in Griechenland, hat mit tatkräftiger Unterstützung seines raffinierten Finanzministers Gianis Varoufakis in den vergangenen Wochen in der Schuldenkrise des eigenen Landes mehrere Strohfeuer entfacht. Stichflammen meterhoch, aber das war es dann auch.

Im Falle Griechenlands geht es nach zwei Hilfspaketen (und ein drittes wird noch kommen) unter anderem um die Pflicht, vorhandenes, aber dem Staat vorenthaltenes Geld vieler wohlhabender Steuersünder einzutreiben, damit Griechenland auch strukturell wieder auf die Beine kommt.

Jeder Wahlsieg ist ein Auftrag. Im Falle des Linksbündnisses "Syriza" mit ihrem charismatischen Frontmann Tsipras und dem nicht minder wahrnehmungsstarken Wirtschaftsprofessor Varoufakis lautete der Auftrag vieler Not leidender griechischer Wählerinnen und Wähler, sie vom Spardiktat jener Troika von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zu befreien, die heute "Institutionen" genannt werden.

Inzwischen müssen Tsipras und Varoufakis erkennen, dass auch neu gewählte Regierungen eingegangene Verpflichtungen ihrer Vorgängerregierung(en) nicht ignorieren können, sondern sich an die Verabredungen zu halten haben. Die Euro-Zone ist kein großer Spielplatz, auf dem je nach Laune jeden Tag neu entschieden wird, welches Spiel nach welchen Regeln gespielt wird.

Diese Lektion sollten Tsipras und Varoufakis nach einigen Kraftmeiereien und Provokationen inzwischen gelernt haben. Show ist gut für die Galerie, aber sie bringt einen Staat in der Sache nicht weiter. Und ein Land voranzubringen, ist der Auftrag jeder Regierung auf der Welt.

Tsipras weiß inzwischen, dass die Partner der Euro-Zone sein Land nicht fallen lassen wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem griechischen Regierungschef bei seinem Antrittsbesuch gestern in Berlin noch einmal deutlich gemacht, dass der Ausstieg Griechenlands aus dem Währungsverbund politisch definitiv nicht gewollt ist. Tsipras darf dies als Vertrauensbeweis und Unterstützung werten, aber eben auch als Erwartung an seine Regierung, neben wunderbar formulierten Schreiben an die europäischen Partner und Institutionen auch endlich konkrete Reformen einzuleiten.

Ob höhere Mehrwertsteuer, Steuern auf Alkohol und Tabak, späteres Renteneintrittsalter oder eine letzte Chance für Inhaber von Schwarzgeld-Konten - die griechische Regierung hat die Chance, die Halbherzigkeit ihrer Vorgängerregierungen zu überwinden. Es ist ihr Job, Realitäten anzuerkennen. Und sie muss lernen, dass Euro-Schuldenkrise und Reparationsforderungen für begangenes Verbrechen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges nichts miteinander zu tun haben.

Deutschland ist weder Lehr- noch Zahlmeister, genauso wenig wie Griechenland an den Pranger gehört. Staaten haben Interessen. Und Staaten haben Pflichten. Es geht um mehr als "nur" um ein bilaterales Verhältnis. Es geht um Europa.

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