Kommentar Deutscher Ärztetag - Das System bröckelt

Die Bundestagswahl 2013 wirft längst ihre Schatten voraus. Zumindest beim Deutschen Ärztetag diese Woche war das zu beobachten. Wenn sich das Ärzteparlament in einem Jahr wieder versammelt, wollen die Delegierten den dann wahlkämpfenden Parteien ein eigenes Finanzierungskonzept für das Gesundheitswesen vorschlagen. So viel ist klar: Am Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wollen die Mediziner nicht rütteln.

Die Ärzte wissen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr in diesem Punkt auf ihrer Seite, auch deshalb hatte der FDP-Politiker einen ganz anderen Empfang in Nürnberg als seine Vorvorgängerin Ulla Schmidt. Dabei sind sich Politiker ebenso wie die Ärzte bewusst, dass das zweigeteilte System von GKV und PKV langfristig ein Auslaufmodell ist.

Schon jetzt verschwimmen die Grenzen, weil die vergangenen Gesundheitsreformen die Unterschiede aufgeweicht haben. Noch ist der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn in seiner Partei ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn er für eine schrittweise Annäherung plädiert. Aber die Debatte darüber dürfte auch in der Union in der nächsten Legislaturperiode entbrennen.

Eigentlich hofft die schwarz-gelbe Koalition, dass die Finanzierungsfrage im Wahlkampf nicht zur zentralen Auseinandersetzung wird. Die Themen Zusatzbeiträge, Gesundheitsprämie und Sozialausgleich bergen Zündstoff. Wahlstimmen fängt eine Partei damit nicht. Je besser das GKV-System finanziell dasteht, desto eher die Chance, an dieser Front Ruhe zu haben.

Das deutsche Gesundheitswesen ist nicht marode, aber es bröckelt. Ob sich die Qualität etwa in den Krankenhäusern durch Wettbewerb verbessert, stellen immer mehr Ärzte in Frage. Denn der ökonomische Wettbewerb, der den Kliniken aufgezwungen wurde, zerstört gerade die Qualität. Zu Recht hat der Ärztetag Bonuszahlungen, die für das Erreichen ökonomischer Ziele gewährt werden, abgelehnt. Für Patienten, deren Erkrankung nicht genug Einnahmen bringt, öffnen sich Kliniktüren mitunter nur schwer. Und Patienten in Provinzkrankenhäusern haben schon erlebt, dass der Arzt sie nicht versteht - weil er kaum Deutsch spricht.

Die Medizin macht Quantensprünge, aber die Rahmenbedingungen des Systems halten nicht mit. Die PKV bezahlt praktisch alles und leidet so unter Verschwendung. In der GKV wird budgetiert. In beiden Fällen sind Versicherte die Leidtragenden. Den Patienten zu einem mündigen Teilnehmer des Gesundheitswesens zu machen, ist ein hehres Ziel. Mit dem neuen Patientenrechtegesetz kommt man dem ein Stück näher. Aber man verlangt den Menschen auch viel Verantwortung ab, wie das gestern verabschiedete Transplantationsgesetz zeigt. Auch darüber müssen Politik und Ärzte sprechen.

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