Kommentar Der Friedensnobelpreis für die EU - Trotz allem

Was ist ein Preis wert, über den sich die Geehrten nicht freuen? Nicht viel? Doch: Viel! Wer am Montag irgendwo in Deutschland eine Straßenumfrage gemacht hätte über das Ereignis des Tages, er wäre vermutlich mit leeren Händen zurückgekommen.

Die Übergabe des Friedensnobelpreises an die EU war - wie so vieles in der EU - ein Akt für die Geladenen, die Führenden, die europäische Elite. Zugegeben: Mit ein bisschen mehr Symbolwert als sonst.

Denn dass nicht nur Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso, sondern auch Parlamentspräsident Schulz den Preis entgegen nahmen, belegt zumindest: Sie bewegt sich doch, diese ungeliebte EU, sie bewegt sich Stückchen für Stückchen hin zu einem demokratischeren Europa.

Doch niemand kam im Vorfeld von Oslo auf die Idee, vielleicht berühmte oder begnadete Europäer aus dem Volk mit einzuladen. Einen Polen, der mit Hilfe Europas die Verständigung mit Deutschland geschafft hat; einen Italiener, der sein Glück in Irland der EU verdankt; einen Griechen, der in seiner Person erfahren hat, was europäische Hilfe (und Strafe) bedeutet. Nein, soweit geht die Verankerung der europäischen Idee im Volk denn doch nicht.

EU-Europa ist im Kern geblieben, was es von Anfang an war: eine Veranstaltung der Regierenden und der Beamten. Eine gute Veranstaltung, gewiss. Eine, die man erfinden müsste, wenn es sie nicht gäbe. Martin Schulz, der wortmächtige Präsident des Europaparlaments, hat kürzlich (in Bonn) gesagt, Europas Stern strahle um so heller, je weiter man weg ist vom alten Kontinent.

Da ist was Wahres, was Biblisches dran: Der Prophet gilt nichts in seinem Heimatland. 60 Jahre Frieden? Geschenkt! Ja: geschenkt. Ein Riesengeschenk. Ein Modell, zum Export in alle Welt empfohlen, nicht nur wie all die Güter, die das größte Land der EU, die Deutschland zum Exportweltmeister werden lassen.

60 Jahre Freiheit. Stück für Stück und immer mehr. Der letzte deutsche Friedensnobelpreisträger Willy Brandt wurde für seine Ostpolitik geehrt; sie war, wie man heute weiß, Voraussetzung für dieses ungeteilte neue Europa in Freiheit. Welch epochale Entwicklung.

Und dagegen das Kleinklein der Tagespolitik. Das Genöhle über die Bürokraten in Brüssel, die Bananenkurvenberechner und Gurkenbieger. Das wohlfeile Abschieben von Verantwortung in die europäische Hauptstadt. Das Gerede vom Nettozahler.

Was gut läuft, ist nationaler Erfolg, Misserfolge, Skandale, Fehler buchstabiert man "EU". Wundert sich da noch jemand über das bescheidene Ansehen der Gemeinschaft? Wundert es jemanden, dass der Bürger glaubt, was ihm die Politik einredet? Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Der Nobelpreis für die EU: Es wäre eine Freude, wenn sich ein paar Bürger mehr freuen würden.

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