Kommentar Chinas Regierungschef in Berlin - Eine neue Balance

Für den neuen Pekinger Ministerpräsidenten befinden sich die Beziehungen zwischen Deutschland und China in bestem Zustand. Die deutsche Kanzlerin anerkennt immerhin, dass beide Staaten bereit seien, Meinungsunterschiede "zu ertragen".

Kein Zweifel: Merkel und ihr neuer Regierungschefkollege aus dem fernöstlichen Riesenreich sind auf der Suche nach einer neuen Balance für die bilateralen Beziehungen. Der Führungswechsel in Chinas Regierungsspitze gibt den Anlass. Die wenig dogmatische Persönlichkeit von Regierungschef Li Keqiang - das zeigten alle Berliner Gespräche - gibt der Hoffnung Auftrieb, dass die politische Verkrampftheit in den Beziehungen überwunden werden kann.

Es ist gar nicht so lange her, dass die chinesische Führung einigermaßen frostig auf den offiziellen Empfang des Dalai Lama durch Merkel im Kanzleramt reagierte. Fest vereinbarte Termine nicht nur im Menschenrechtsdialog wurden kurzfristig abgesagt. Li steht für mehr Pragmatismus, Flexibilität und Gelassenheit.

Freilich ändert dies nichts an dem Regime, für das er steht. China ist weiterhin eine Diktatur, deren Führung die Menschenrechte mit Füßen tritt. Es verschwinden immer wieder Bürgerrechtler, Literaten und regimekritische Intellektuelle. Die staatliche Repressionsmaschinerie zählt weiterhin zu den brutalsten in der internationalen Staatengemeinschaft.

Aber richtig ist auch: Der Westen hat begriffen, dass wegen noch so massiver internationaler Kritik an diesen Zuständen in Peking kein Sack Reis umfällt. Vermehrt geht man den Weg der "stillen Diplomatie", um für den einzelnen von Repressionen Betroffenen mehr herauszuholen. Hinzu kommt, dass es innerhalb der EU durchaus Meinungsverschiedenheiten im Umgang mit Peking gibt.

China wird - dringender denn je - gebraucht: Zunächst und vor allem bei der politischen Lösung von Konflikten. Das gilt vor allem für den grauenvollen Bürgerkrieg in Syrien. Hier ist die neue Führung zögerlich. Und selbstverständlich ist das Reich der Mitte mit seinem nur unwesentlich gebändigten exorbitanten Wirtschaftswachstum ein herausragender Handelpartner.

Zwar ist der vor allem umweltpolitische Schaden, den Peking mit seiner Wachstums-Rücksichtslosigkeit anrichtet, immens. Aber China ist aus dem Kreis der Wirtschafts-Weltmächte und hoch willkommenen Geschäftspartner weder für Berlin - die Unterzeichnung der 17 milliardenschweren bilateralen Wirtschaftsverträge dokumentiert dies - noch für die EU wegzudenken.

Vor diesem Hintergrund wird sich auch eine Lösung bei dem Strafzöllestreit um chinesische Solarmodule finden lassen. Schon aus grundsätzlichen Erwägungen muss einer marktwirtschaftlichen Lösung der Vorrang eingeräumt werden.

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