Kommentar Bundeswehr: Kita und Krieg

Dass Ursula von der Leyen zu den klügsten und zugleich ehrgeizigsten Köpfen im Bundeskabinett zählt, weiß man nicht erst seit Mittwoch. Aber seit Mittwoch hat sie es wieder unter Beweis gestellt.

Zu Beginn ihrer noch kurzen Amtszeit als Verteidigungsministerin hatte sie Schlagzeilen gesucht - und gefunden - mit dem Vorhaben, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands zu machen. Das war vielfach ironisiert worden nach dem Motto, von der Leyen halte Kitas in der Kaserne für das zentrale Problem. Am Mittwoch hat sie in doppelter Weise die Ernsthaftigkeit ihrer Amtsführung unterstrichen. Sie hat ihre Pläne für die Verbesserung der Arbeitskonditionen in der Armee präzisiert - und sie hat zugleich deutlich gemacht, dass es noch Wichtigeres gibt: nämlich das Nachdenken über eine Neuausrichtung der Bundeswehr.

der Leyens Doppelstrategie ist notwendig, klug und - Angela Merkel würde sagen: alternativlos. Denn mit der Besserung der Angebote des Arbeitgebers Bundeswehr holt sie nur nach, was Vorvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg und Merkel sträflich vernachlässigt hatten: die Konsequenzen aus der Abschaffung der Wehrpflicht.

Der Dienst am Vaterland muss attraktiver werden, will die Armee ihren Aufgaben noch nachkommen in Zeiten der puren Freiwilligkeit. Und dazu zählt eben nicht in erster Linie die Kita, dazu zählen geregelte Arbeitszeiten, Überstundenzuschläge oder Zulagen für besondere Erschwernisse. Der Haken am schönen Plan der Hardthöhenchefin ist gestern nicht verborgen geblieben: Finanziert ist das Ganze bisher nicht. Doch wer von der Leyen kennt, weiß, dass sie für die nötigen Millionen kämpfen wird.

Wie ihre Truppe. Womit das zweite und eindeutig wichtigere Thema in den Blick kommt. Die Bedingungen für den Einsatz der Bundeswehr haben sich - nicht nur nach den Worten der Ministerin - in den vergangenen Jahren existenziell verändert. Auf die Balkankriege folgten der Afghanistankrieg und mehr als ein Dutzend weitere Auslandseinsätze. Und die Zeit der Träumerei in Europa ist seit der Aggression Wladimir Putins in der Ukraine vorbei.

Die Vernachlässigung der Verteidigung - nicht nur in Deutschland, nicht nur beim Thema der Ausrüstung - muss der Vergangenheit angehören. Joschka Fischer, der frühere grüne Außenminister, hat das in diesen Tagen sehr deutlich gemacht. "Krieg und Hegemonie", sagt er, "kehren nach Europa zurück." Aber: "Die Europäer sind zerstritten wie immer, militärisch desinteressiert und schwach und wurden zudem durch ihre hausgemachten Illusionen über den Segen europäisch-russischer Kooperation, russisches Geld und Geschäft in ihrem friedlichen Wolkenkuckucksheim eingeschläfert." Wenn das ein Grüner sagt, kann eine Christdemokratin nicht zurückstehen. Zu Recht.

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