Kommentar Bundestagswahl - Nicht nichtwählen!
Einige Politologen neigen der sogenannten Normalisierungsthese zu. Demnach deutet eine hohe Nichtwählerquote darauf hin, dass das politische System im Großen und Ganzen funktioniert und die Zufriedenheit der Bürger so groß ist, dass sie glauben, nicht mehr wählen gehen zu müssen.
Das klingt zunächst plausibel. Würde man die Stabilität der Demokratie ähnlich wie die Kreditwürdigkeit beurteilen, müsste Deutschland ein "AAA" erhalten. Hinzu kommt, dass es den meisten Deutschen persönlich ziemlich gut geht. Alles, was nach Krise riecht, scheint weit weg zu sein. Warum also soll man sich am Sonntag vom Sofa erheben und ins Wahllokal gehen - zumal man sich während des Wahlkampfes meist in einem gemütlichen Schlafwagen wähnte?
Die Antwort lautet: Weil der Zug mit zunehmender Geschwindigkeit in die Kurven fährt und es einer politischen Kraft bedarf, die jetzt die Weichen richtig stellt. Der Euro und Europa sind weiter in Gefahr; die Energiewende droht zu scheitern; wir brauchen eine grundlegende Renten-, Pflege- und Gesundheitsreform ebenso dringend wie weitere Kraftanstrengungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wer meint, sich das Wählen trotzdem sparen zu können, weil die Parteien zu diesen Themen keine (unterscheidbaren) Angebote machen, der irrt. Sollen die Steuern erhöht, soll eine Bürgerversicherung eingeführt und Südeuropa entlastet werden - oder eher nicht? Deutschland hat die Wahl. Irgendwo auf dem Wahlzettel steht es, das kleinste Übel. Versprochen!