Banken im Stresstest - Erzieherische Wirkung

BRÜSSEL · Das Wichtigste an der großen Tauglichkeitsprüfung für Europas Top-Banken ist die Glaubwürdigkeit. Die hatte bei einer ersten Auflage des Verfahrens vor drei Jahren Schaden genommen. Damals hatte man einen Stresstest ohne wirklichen Stress inszeniert.

So erwies sich anschließend rasch, dass die massiven Mängel in den Bilanzen keineswegs aufgedeckt und beanstandet, geschweige denn behoben worden waren. Eine Vielzahl notleidender Kredite wurde als solche nicht erkannt. Weil Spreu und Weizen nicht voneinander getrennt wurden, fiel das ganze Gewerbe in Schockstarre. Die negativen Folgen sind bis heute nicht überwunden.

Nun hat die Politik erkannt, dass die Rettung von Geldinstituten mit Steuergeld eine unpopuläre Maßnahme ist. Sie hat sich daran gemacht, ein System aufzubauen, in dem auch große Banken pleite gehen können und die Allgemeinheit nicht mehr durch die Aussicht auf unabsehbare Kollateralschäden erpressbar ist. Und der Stresstest des neuen Typus hat das Seine dazu beigetragen, den Ernst der Lage zu vermitteln.

Die Anforderungen sind streng. So wird beispielsweise für den Fall einer schweren Krise ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um mehr als fünf Prozent unterstellt. Das ist nicht ein bisschen Gegenwind, das ist Sturm. Dennoch haben 117 von 130 zur Prüfung gebetenen Banken auch unter diesen Extrembedingungen standgehalten, also die geforderte Mindestkapitalquote vorweisen können.

Das ging nur, weil der Belastungstest schon im Vorhinein die erhoffte erzieherische Wirkung entfaltete. Die Banken haben Risiken abgebaut und sich ein um 60 Milliarden Euro stärkeres Kapitalpolster zugelegt. So hat etwa die griechische Nationalbank um 2,5 Milliarden aufgestockt. Die verbleibende Lücke beträgt weniger als eine Milliarde - das scheint in der Tat, wie die europäische Bankenaufsicht meint, "machbar".

Die Maßstäbe sind im einzelnen sicher fragwürdig, die Vergleichbarkeit der Risiken in den verschiedenen Ländern ist nur eingeschränkt gegeben, und die Verflochtenheit der Banken untereinander bleibt als Risikofaktor unterbelichtet.

Es heißt aber: Das Risiko, dass die Steuerzahler erneut bluten müssen, um Milliardenzocker in den Großbanken rauszupauken, wenn es schiefgeht - dieses Risiko ist beträchtlich gesunken. Selbst wenn es richtig schief geht. In dem Maße, in dem die Finanzinstitute die Übung im zweiten Anlauf ernst genommen haben, dürfen wir als bange Außenstehende die Resultate ernst nehmen.

Für die Schockstarre gibt es, was die Banken anlangt, keinen substanziellen Grund mehr. Dass die Wirtschaft lahmt, hat andere Gründe, mangelnde Nachfrage vor allem. Aber die Sorge vor faulen Krediten sollte nach dem Stresstest kein nennenswerter Faktor mehr sein.

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