Kommentar Bahnverkehr in der Region - Mehr Freud als Leid

Die Region durchlebt derzeit in Sachen Nahverkehr ein Wechselbad der Gefühle. Bereits vorige Woche sickerte die positive Nachricht durch, dass die S 13 von Troisdorf nach Oberkassel verlängert wird. Gestern folgte der zweite Paukenschlag, der aber wenig Anlass zur Freude bietet.

Der Nahverkehrsverband Rheinland (NVR) listete 142 Bauvorhaben auf, deren Planung wegen fehlender Finanzen gefährdet ist. Auf der Giftliste steht auch Bonn: Der mehr als acht Millionen Euro teure Umbau des Busbahnhofs am Hauptbahnhof liegt somit vorerst auf Eis.

Die Reaktion des NVR auf die fehlenden Gelder ist als Warnschuss in Richtung Politik zu verstehen - nach dem Motto: Wenn die Politik den Nahverkehr stärken will, dann muss sie auch die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stellen. Dass es zu diesem Muskelspiel kommt, ist absurd, weil nahezu alle Parteien den Ausbau des Nahverkehrs fordern.

Für die Region Bonn/Rhein-Sieg ist die Nachricht zum Ausbau der S 13 die mit Abstand wichtigste der vergangenen Jahre im Nahverkehrssektor. Die Anknüpfung des rechtsrheinischen Gebiets mit einer eigenen S-Bahn-Linie an das weit verzweigte Schienennetz des NVR und damit an den Verkehrsknotenpunkt Köln hat weitreichende Bedeutung.

Die 13 Kilometer lange Neubaustrecke trägt zu einer wesentlichen Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene bei und stärkt damit den Wirtschaftsstandort Bonn. Besonders die neuen Wohngebiete in Beuel und die Arbeitsplatzschwerpunkte im Beueler Süden vom Bonner Bogen bis zur Telekom werden durch die Neubaustrecke deutlich besser erschlossen. Wer künftig die Chance hat, mit einer schnellen S-Bahn im 20-Minuten-Takt zum Flughafen und zum Kölner Hauptbahnhof fahren zu können, ist hoffentlich eher bereit, das Auto in der Garage stehen zu lassen.

Es gibt einen weiteren positiven Aspekt: Seit Jahren warten lärmgeplagte Bürger entlang der Bahntrasse auf Schallschutzmaßnahmen. Die Politik hat die Gleisanrainer immer wieder mit dem Hinweis auf die Neubaustrecke vertröstet. Mehr als 15 Kilometer Schallschutzwände werden demnächst zwischen Oberkassel und Troisdorf gebaut - ein Hoffnungsschimmer für von Lärm genervte Bürger.

Allerdings haben die jahrelangen Vertragsverhandlungen zwischen Bund, Land und Bahn eines nicht erreicht: Die Bauzeit von zwölf Jahren ist trotz vieler Proteste nicht verkürzt worden. Mag sein, dass es technisch anspruchsvoll ist, eine Neubaustrecke während des laufenden Betriebs zu errichten. Aber dass die Bahn für einen Kilometer Strecke ungefähr ein Jahr Bauzeit benötigt, zeugt nicht von einer technischen Pionierleistung. In Wahrheit steckt ein anderer Grund hinter der langen Bauzeit: Bund und Land sind nicht bereit, ihren finanziellen Anteil an den Baukosten in einem kürzeren Zeitraum zur Verfügung zu stellen. Und das trübt die Erfolgsstory.

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