Kommentar Anschlagsversuch in Bonn - Das diffuse Risiko

Wollte man etwas krampfhaft die gute in der schlechten Nachricht suchen, dann könnte man sagen: Wenigstens lässt sich die Gefährdungslage jetzt ein wenig besser einschätzen. Diese tagelange Asymmetrie, einerseits vor einem schwerwiegenden Vorgang zu stehen, andererseits aber kaum gesicherte Informationen dazu zu haben, erzeugte für sich eine beängstigende Hilflosigkeit.

Seit Freitag nun liegen verdichtete Hinweise für einen islamistisch motivierten Terroranschlag in Bonn vor. Die Stadt hatte Glück im Unglück, dass der gezündete Sprengsatz nicht detonierte. Das bedeutet aber auch: Das Risiko, in nächster Zeit mitten in Bonn Opfer eines solchen Anschlags zu werden, ist auf diffuse Weise erhöht, solange die Täter nicht dingfest gemacht sind. Und das ist keine Panikmache, sondern Ergebnis einer nüchternen Analyse.

Denn die Bundesstadt erscheint nicht als zufälliges Anschlagsziel. Wäre es darum gegangen, irgendeine Metropole in Deutschland zu treffen, wäre die Wahl wohl eher auf Berlin, Köln, München oder Hamburg gefallen. Bonn stand (und steht?) womöglich im Fadenkreuz, weil es Schauplatz wüster Auseinandersetzungen zwischen Salafisten, Rechtsradikalen und der Polizei war. Es ist erst einige Wochen her, dass der Messerstecher von Lannesdorf zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Rache dafür ist ein zwar unbewiesenes, aber leider allzu plausibles Terrormotiv.

Was sind die Konsequenzen? Der vorschnelle Ruf nach dem Gesetzgeber ist, wie meist, unangebracht. Allerdings gibt es einen Punkt, der schnell per Gesetz klargestellt werden muss: An wichtigen öffentlichen Plätzen wie großen Bahnhöfen bedarf es einer funktionierenden (!) Videoüberwachung. Intakte Kameras waren mit Blick auf die Kofferbomber in Köln Gold wert. Man hätte sich ein solches technisches Niveau auch für Bonn gewünscht.

Der mündige Bürger indes muss sich entscheiden. Er kann der Politik, gerne auch dem Bonner Oberbürgermeister, folgen und sich bei erhöhter Wachsamkeit nicht verrückt machen lassen und sein Leben leben, so wie bisher. Zu sagen, dass die Terroristen in dem Moment gewonnen haben, wenn wir uns in unseren Freiheiten selbst beschneiden, ist ein richtiger Satz. Es ist aber zugleich auch ein leicht daher gesagter Satz.

Denn wer will es einem Familienvater verübeln, wenn er mit seinen Kindern vorerst einen großen Bogen um Menschenansammlungen macht? Fest steht: Das Risiko ist zwar nicht bezifferbar, aber in jedem Fall größer als null. Das gilt für Bahnhöfe, für Flughäfen, für Weihnachtsmärkte und für Fußballstadien. Wahr ist aber auch: Das alles war auch schon vor dem Bonner Anschlagsversuch so.

Mündige Bürger treffen dann rationale Entscheidungen, wenn sie sich gut, zeitnah und umfassend informiert fühlen.

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