Kommentar Östliche EU-Nachbarländer - Im Sog des Konflikts

Brüssel · Der Ost-Gipfel in Riga ist eine Rückkehr zum Ausgangspunkt. Auf einem Spitzentreffen der östlichen Partnerschaft brach im Herbst 2013 die Krise aus, die seither die Europäische Union in Atem hält und die Beziehungen zu Moskau vergiftet. Auf der Konferenz im litauischen Vilnius weigerte sich damals der ukrainische Präsident Janukowitsch, das von seiner Regierung ausgehandelte Partnerschafts- und Freihandelsabkommen mit der EU zu unterzeichnen.

In Kiew und den pro-westlichen Landesteilen formierte sich Widerstand, die Regierung ging mit Gewalt gegen die Maidan-Bewegung vor. Am Ende suchte der ungeliebte Potentat das Weite. Präsident Putin nahm den Umsturz zum Anlass, die Krim zu annektieren und die Separatisten im Donbass zu unterstützen.

Die Schuldfrage, wie sollte es anders sein, ist bis heute umstritten. Nach Auffassung der EU handelt es sich um den Rückfall einer gekränkten Ex-Großmacht und ihres besonders ehrgeizigen Führers in altes Einflusszonen-Gehabe. In der Moskauer Gegen-Erzählung ist das reine Heuchelei: Die vom Westen beschworene gesamteuropäische Friedensordnung mit Russland als Partner sei nie mehr gewesen als ein fadenscheiniges Mäntelchen für den Versuch, das größte Land der Erde den eigenen Interessen zu unterwerfen.

Einer Verständigung darüber ist man in den anderthalb Jahren seit Vilnius nicht näher gekommen. Im Gegenteil: Moskau nutzt die Gelegenheit, den prinzipiellen Vorwurf an anderer Stelle bestätigt zu sehen. Das Treffen mit der Ukraine, Georgien, Moldau, Armenien, Aserbaidschan und Weißrussland soll gezielt aus dem Sog des großen Zwistes mit Moskau herausgehalten werden.

Die östliche Partnerschaft lohnt sich und kommt laut Brüsseler Lesart voran, vor allem durch Intensivierung des Handels. Mit drei Ländern (Ukraine, Georgien, Moldau) werden die Beziehungen durch Assoziierungsabkommen ausgebaut. Und wenn die anderen drei sich an Putins Eurasische Wirtschaftsunion binden? Kein Problem, sagt die EU. Man werde für ihr Verhältnis zur EU maßgeschneiderte Lösungen finden. In Brüssel wie in Berlin lautet die Devise: Bloß kein Entweder - oder! Anders gesagt: Auch wenn Minsk wackelt - Riga steht und sieht gar nicht so schlecht aus.

Bemerkenswerterweise gibt es Indizien, dass Moskau Interesse an einer Konflikteinhegung hat. Der Kreml scheint bereit, den Widerstand gegen das Abkommen EU-Ukraine nicht auf die Spitze zu treiben. Und die EU-Militäraktion im Mittelmeer will die UN-Vetomacht Russland nicht gänzlich blockieren. Für die EU bedeutet die politische Linie für Riga eine (Teil-) Abkehr vom Motto "kein business as usual nach der Annexion der Krim". Diese Normalität soll es jetzt streckenweise sehr wohl geben. Das ist nicht sonderlich prinzipientreu - aber politisch klug ist es allemal.

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