Kommentar zu Seehofers Besuch in Russland Putins Helfer

Meinung · Man sollte die Visite einmal aus russischer Sicht betrachten. Die Russen haben durchaus zur Kenntnis genommen, dass die deutsche Seite verärgert ist. Zu laut, zu lügenhaft, zu unverschämt war die Propaganda der russischen Staatsmedien im Fall der tatsächlich nicht vergewaltigten russlanddeutschen Lisa.

Just in diesem Moment peinlich dröhnender Stille rumpelt ein deutscher Politpromi in Moskau ein, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Und Seehofer verkündet vorneweg, dem internationalen Terror und dem europäischen Flüchtlingsproblem sei nicht ohne Russland beizukommen. "Russland wird für die Lösung der Weltkrisen gebraucht", titelt die Staatsnachrichtenagentur Tass begeistert.

Seit vergangenem September bombardiert Russland Syrien, angeblich um beide Probleme zu lösen, aber die Flüchtlingsströme sind danach keineswegs abgerissen und die Terroranschläge häufen sich. Für die staatstragende Öffentlichkeit Russlands aber sind solche Sprüche und solche Besucher ein gefundenes Fressen.

Ein wackerer deutscher Landesfürst hat um eine Audienz bei Putin persönlich nachgesucht. Ein Quertreiber, seit Wochen befehdet er die deutsche Kanzlerin, die ob ihrer sturen Haltung zur Ukraine den sanften Barack Obama längst als Russlands Unperson Nummer 1 abgelöst hat. Und von der russischen Propaganda unterhalb der Gürtellinie als "Blitzkrieg-Merkel" oder "aggressives Halbweib" beschimpft wird. Seehofers Vorsprechen bei Putin werden Moskaus TV-Kommentatoren also grinsend als Zeichen für die fatale Zwietracht innerhalb des "Regime Merkel" deuten. Und ihrem atemlos lauschenden Publikum erklären, dass der Bayer einer jener Deutschen ist, die begriffen haben, dass Putins Polizeistaat der letzte Hort traditioneller abendländischer Werte ist.

Schon vor Seehofer sind diverse deutschsprachige Politiker mit Fragwürdigkeiten in Moskau aufgefallen. Gerade erst kritisierte Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nach einem Treffen mit Premier Dmitri Medwedew die EU-Sanktionen gegen Russland: Sie schadeten beiden Seiten wirtschaftlich, hätten aber zu keinen politischen Fortschritten geführt. Obwohl gerade diese Sanktionen Russland gezwungen haben, seinen kriegerischen Druck auf die Ukraine zu reduzieren. Mitterlehners deutscher Kollege Sigmar Gabriel machte sich vergangenen Oktober nach einem Gespräch bei Putin für das neue, in der EU heftig umstrittene Pipelineprojekt der Russen stark, schlug außerdem entgegen der Regierungslinie eine schrittweise Lockerung der Sanktionen vor.

Offenbar verstehen viele westliche Politiker nicht, dass gegenüber dem Macht- und Gewaltpolitiker Putin Vielstimmigkeit fehl am Platz ist. Und dass heute jeder Parteipolitiker, der mit staatsmännischer Pose nach Moskau reist, als nützlicher Idiot des Kremls nach Hause fährt.

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