Kommentar zur Wahl in Mecklenburg-Vorpommern Denkzettel

Meinung | Berlin · Die CDU hat bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern eine schwere Niederlage erlitten, die AfD einen großen Triumph gefeiert. Die große Zustimmung für die AfD ist ein Ausdruck großer Unzufriedenheit vieler Wähler.

Der Protest gegen das Parteien-Establishment hat nun auch den Nordosten der Republik erreicht. Mit einem Paukenschlag: Die Alternative für Deutschland ist in der Heimat von Bundeskanzlerin Angela Merkel stärker als die CDU und ab sofort zweitstärkste Kraft hinter der SPD, die wiederum deutlich eingebüßt hat. Damit geht die schon unheimliche Erfolgsserie der Rechtspopulisten weiter.

Nach beachtlichen Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie einem Ausrufezeichen in Sachsen-Anhalt, wo die Rechtpopulisten mit 24,2 Prozent Zustimmung zweitstärkste Kraft im Landtag geworden sind, ist aus AfD-Sicht nun auch Mecklenburg-Vorpommern erobert. Aus dem Stand mehr als 20 Prozent Zustimmung für die AfD sind Ausdruck großer Unzufriedenheit vieler Wähler. SPD und CDU müssen sich eingestehen, dass sie vor allem Verlierer der Gesellschaft, von denen es gerade im industriearmen äußersten Nordosten des Landes viele gibt, nicht mehr erreichen.

Die CDU kann und muss dieses Votum auch als Abstimmung über die Flüchtlingspolitik ihrer Bundesvorsitzenden sehen. Der Denkzettel für Merkel ist nicht zu leugnen, weil gerade die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin mit für das Erstarken der AfD verantwortlich gemacht wird. Die Angst vor angeblicher Überfremdung spielte bei dieser Landtagswahl erneut eine große Rolle, auch wenn nirgendwo in Deutschland so wenig Ausländer leben wie in Mecklenburg-Vorpommern.

Vor allem in Vorpommern ist rechtsradikales oder völkisches Gedankengut weit verbreitet. 2006 (7,3 Prozent) und 2011 (6,0 Prozent) schaffte es die rechtsextreme NPD in den Landtag in Schwerin. Dass es ihr 2016 kein drittes Mal gelungen ist, liegt auch am Aufkommen der AfD, die im rechten Lager und am rechten Rand gekonnt fischte.

Kein Zweifel: Die deutsche Parteienlandschaft ist mit dem Aufkommen der AfD gehörig aufgemischt worden. Zwar reicht es rechnerisch für SPD und CDU zur Fortsetzung ihrer Koalition mit Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) an der Spitze, und auch eine rot-rote-Koalition wäre möglich, aber die AfD hat die Mehrheit von Zweierkoalitionen erschwert.

Womöglich wird sich das bereits bei der Bundestagswahl 2017 zeigen. Viele Menschen plagt das Gefühl, den Folgen der Globalisierung hilflos ausgeliefert zu sein und von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten zu werden. Der Zuzug Hunderttausender Kriegsflüchtlinge nach Deutschland hat bei vielen Bürgern - berechtigt oder nicht - das Gefühl geweckt, die Neuankömmlinge könnten ihnen etwas wegnehmen.

Die AfD, einst aus Protest gegen die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung gegründet, ist - zumindest temporär - gerade für viele Wendeverlierer im Osten ein Hoffnungsträger. Die etablierten Parteien müssen schnell reagieren: Wir haben verstanden!

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