Humboldt-Stiftung Zwei Spitzenforscher können an die Bonner Uni berufen werden

Bonn · Bildung sei kein Sein, sondern ein Trieb, und zwar nicht im Sinne eines Strebens nach einem vorgegebenen Ziel, sondern im Sinne einer Sehnsucht nach einem unbekannten Ziel, hat Wilhelm von Humboldt einmal geschrieben. Diese Sehnsucht nach einem unbekannten Ziel verbindet wohl beide Professoren, die über die Humboldt-Stiftung an die Universität Bonn kommen werden.

Die Alexander von Humboldt-Stiftung mit Sitz in Bad Godesberg hat der Bonner Alma mater den Zuschlag gegeben, mit dem Physiker Professor Michael Köhl, der zurzeit an der University of Cambridge in Großbritannien lehrt, und dem Philosophen Professor Michael Neil Forster von der University of Chicago (USA) Berufungsverhandlungen aufzunehmen.

Die mit jeweils bis zu fünf Millionen Euro dotierte Humboldt-Professur ist der höchstdotierte internationale Preis für Forschung in Deutschland. Mit ihm werden renommierte Wissenschaftler im Ausland gewonnen, langfristig an deutschen Hochschulen zu forschen.

Milliarden von Lichtteilchen sind gewöhnlich nötig, um über Glasfaserleitungen auch nur ein Bit Information von A nach B zu übermitteln. Welche gigantischen Möglichkeiten ergäben sich, wenn man einzelne Photonen manipulieren könnte? Das wäre ein Durchbruch für die Sicherheit von Kommunikationsnetzen. "Einzelne Photonen erlauben es, ein fundamental gegen Abhörung gesichertes System zu entwickeln", so Professor Dieter Meschede vom Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn.

Die Bonner Forscher könnten bald Bahnbrechendes auf dem Gebiet der Quantenoptik entwickeln. Die Chancen stehen jedenfalls gut: Denn mit dem Physiker Professor Michael Köhl, der zurzeit an der University of Cambridge in Großbritannien lehrt, soll einer der Top-Forscher auf dem Gebiet der experimentellen Atomphysik und der Quantenoptik für Bonn gewonnen werden. Sein Arbeitsgebiet sind ultrakalte Teilchen und deren Wechselwirkungen untereinander.

"Mit der Nominierung von Professor Köhl für eine Humboldt-Professur soll die experimentelle physikalische Forschung an der Schnittstelle von Quantenoptik und Kondensierter Materie gestärkt werden", so Meschede, der darauf hofft, dass Köhl spätestens im Sommer kommenden Jahres nach Bonn kommt.

Wechselwirkung zwischen Licht und Materie

"Mit der Humboldt-Professur soll ein Bindeglied von der Quantenoptik zur Kondensierten Materie geschaffen werden", teilte die Uni Bonn mit. Hierbei werde angestrebt, eine direkte Kopplung einzelner Atome oder Ionen an Festkörpersysteme mit Hilfe einzelner Photonen zu erforschen. Dies würde die direkte Übertragung und Verarbeitung von Quanteninformation ermöglichen und etwa der Informationstechnologie einen großen Schub verleihen.

Im Prinzip geht es um die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie - einer der fundamentalsten Prozesse der Physik. Ob sich unser Auto im Sommer aufgrund der Absorption von Lichtquanten in einen Backofen verwandelt, ob der UV-Anteil im Sonnenlicht unsere Hautzellen das Pigment Melanin bilden lässt (und wir dadurch braun werden), ob Solarzellen aus Licht Strom gewinnen oder Leuchtdioden Strom in Licht umwandeln, die Auswirkungen dieser Prozesse begegnen uns täglich.

Auch für die Entwicklung der so genannten Quanten-Computer ist das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Lichtteilchen, Photonen, und Atomen entscheidend. Die Kopplung von Atomen mit Lichtteilchen gilt als Schlüsselprozess auf dem Weg zum Quantencomputer. Quantencomputer haben das Potential, auf Grundlage der Gesetze der Quantenmechanik, mathematische Probleme deutlich effizienter zu lösen als klassische Rechner.

Köhl soll nun die experimentelle Physik in Bonn stärken. Der 36-Jährige untersucht die Wechselwirkungen in modellartigen Vielteilchensystemen. Eine herausragende Möglichkeit dafür bildet die Forschung an sogenannten ultrakalten Atomen, die auf einem Gitter wie in einem Kristall angeordnet sind. Das System erlaubt fundamentale Fragen der Festkörperphysik, der Quantenoptik sowie der Atomphysik zu untersuchen und eröffnet auch neue Perspektiven für Quantencomputer.

Köhl untersucht die Möglichkeit, Ionen, also elektrisch geladene Atome oder Moleküle, als Sonden zu nutzen. Dabei verbindet er Ionenfallen mit ultrakalten Gasen: Ionen werden mittels elektrischer und magnetischer Felder festgehalten und wie eine Perlenkette aneinandergereiht. Mit Köhl kehrt ein Thema in die Bonner Physik zurück, für dessen Anstoß Wolfgang Paul 1989 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Der 36-jährige Physiker wurde in Marburg/Lahn geboren und studierte Physik in Heidelberg, am Massachusetts Institute of Technology (USA) und in Frankfurt/Main. Er promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Habilitation erfolgte an der ETH Zürich. Danach ging er an die Universität Cambridge (Großbritannien). Köhl wurde mehrfach ausgezeichnet. Er arbeitete eng mit den Humboldtianern und Nobelpreisträgern für Physik Wolfgang Ketterle und Theodor Hänsch zusammen. Von praktischer Bedeutung ist seine Forschung unter anderem für den widerstandslosen Stromfluss in Supraleitern.

Ruf als Philosoph mit weltweit einzigartigem Profil

Seinen Ruf als Philosoph mit weltweit einzigartigem Profil verdankt Professor Michael Neil Forster unter anderem seinen Arbeiten über den Zusammenhang zwischen moderner Sprachphilosophie und ihren romantischen Wurzeln bei Herder. Er vereint in seinen Arbeiten die Ansätze analytischer Philosophie des anglo-amerikanischen Raumes mit den europäischen Ansätzen und gilt damit als wichtiger Vertreter derer, die die historischen Zusammenhänge zwischen beiden Ausrichtungen herausarbeiten. "Meine Arbeit in der Philosophie hat sowohl historische und systematische Aspekte.

Historisch gesehen, ich arbeite in erster Linie auf die deutsche Philosophie, und in zweiter Linie von der antiken Philosophie", so Forster, der an der University of Chicago lehrt. Forster gilt als einer der international renommiertesten Philosophen, die sich intensiv mit der Frage beschäftigt haben, wie sich Sprache, Verstehen und die Erkenntnis der Wirklichkeit zueinander verhalten und ist darüber hinaus ein exzellenter Kenner der Philosophie Herders und Hegels.

"Mit der Einwerbung der Humboldt-Professur setzt die Bonner Philosophie das Programm ihres Internationalen Zentrums für Philosophie um", sagt Professor Markus Gabriel vom Institut für Philosophie der Universität Bonn, der das Zentrum seit 2012 leitet. Dieses setzt sich zur Aufgabe, eine globale Philosophie zu entwickeln, die den großen Einsichten der klassischen deutschen Philosophie bis in die Gegenwart Rechnung trägt und sich mit diesem Hintergrund in den globalen Diskurs einbringt.

"Meine wichtigsten Interessen liegen in der Erkenntnistheorie und dort vor allem im Skeptizismus sowie in der Philosophie der Sprache", erläutert Forster. Dabei beschäftigt er sich nicht nur mit so zentralen Fragen wie nach dem Verhältnis von Denken und Sprache und der Natur des Seins, sondern auch mit Fragen über die Rolle des Seins und des Denkens in der non-linguistischen Kunst. Er fragt auch nach dem Verständnis von Tieren für Sprache, Denken und Sein.

Der vielfältige Forscher beschäftigt sich aber auch mit der Moral-, Geistes- und politischen Philosophie. Im vergangenen Jahr präsentierte Forster eine bahnbrechende Studie über die deutsche Philosophie der Sprache im neunzehnten Jahrhundert (und darüber hinaus). Es liegt bisher nur in englischer Sprache vor: "German Philosophy of Language - From Schlegel to Hegel and beyond". Sein vorhergehendes Buch über die "Nach Herder"-Zeit zeigte, dass Herder als Philosoph des achtzehnten Jahrhunderts die grundlegende Rolle bei der Gründung der modernen Sprachphilosophie spielte.

"Durch die Berufung Michael Forsters schließt die Bonner Philosophie international sichtbar zur Weltspitze auf." Er soll in Bonn eine große internationale Forschungsgruppe zum Thema "Wir und die Anderen" aufbauen. Sie soll untersuchen, unter welchen Bedingungen eine globale Verständigung der verschiedenen Traditionen der Philosophie stattfinden kann.

Michael Neil Forster ist seit 1985 Philosophie-Professor in Chicago. Der 54-Jährige war unter anderem Gastwissenschaftler an der Princeton University. Er wuchs in England auf und studierte in Oxford, Heidelberg und in Princeton.

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