Neuer Band des Zentrums für Religion und Gesellschaft widmet sich Katastrophen

BONN · Katastrophen mit großen Verwüstungen und vielen Opfern stellen Religionen vor besondere Herausforderungen. Dazu zählen vor allem Naturkatastrophen. "Katastrophen brennen sich, je nach Umfang und Schwere, in das kollektive Gedächtnis einer Region, einer Gesellschaft oder der Weltgemeinschaft ein", schreiben die Herausgeber Wolfram Kinzig und Thomas Rheindorf im Vorwort zu Band 7 der Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft (ZERG).

April 2011: Die Stadt Kesennuma in Japan liegt nach dem verheerenden Tsunami in Trümmern. Wie bewältigt die Menschheit solche Katastrophen? Die Autoren suchen Antworten auf diese Frage.

April 2011: Die Stadt Kesennuma in Japan liegt nach dem verheerenden Tsunami in Trümmern. Wie bewältigt die Menschheit solche Katastrophen? Die Autoren suchen Antworten auf diese Frage.

Foto: dpa

"Katastrophen - und die Antworten der Religionen" heißt der Titel des Buches, das sich aus diversen wissenschaftlichen Perspektiven mit der Bewältigung solcher traumatischer Ereignisse befasst. Die gleichnamige Vorlesungsreihe im Sommersemester 2009 beschäftigte sich dabei vor allem mit den Naturkatastrophen, da sich bei ihnen unmittelbar die Frage nach der Theodizee aufdrängt, also auch nach der Frage: "Wie kann Gott das zulassen?"

Das Buch gibt aber nicht nur Auskunft aus theologischer Sicht, sondern auch aus geschichtlicher. Der Althistoriker Mischa Meier erörtert am Beispiel von Pompeji und Herculaneum sowie Antiochia die Bewältigung von Katastrophen in der Antike. Der Historiker Lucian Hölscher beschreibt das Erdbeben von Lissabon von 1755 und dessen Folgen für die Moderne.

Und der Soziologe Wolf R. Dombrowsky betrachtet Katastrophen unter dem provokanten Titel "Menschenwerk als Gottestat". Dombrowsky schreibt: "Katastrophen sind somit, jenseits von allem Leid und aller materiellen Schädigung, eben auch Hinweise auf Lösungsmängel. Sie sind irrationale Fluchttüren, Überdruckventile gleichsam, für nicht bearbeiteten Problemstau." In der Katastrophe scheitere das Projekt der Moderne, sagt Dombrowsky.

Der Theologe Michael Schulz widmet sich den diversen Theorien der Theodizee. "Erdbeben und Tsunamis, Vulkanausbrüche und Hurrikans, Krankheiten und Unfälle stellen den allmächtigen, allwissenden und gütigen Gott in Frage", schreibt Schulz. "Angeklagt, verklagt ist Gott vor dem Gericht des Menschen." Schulz' These: Nur durch das In-Christus-Tätig-Sein hat der Mensch die Möglichkeit, dem scheinbar Sinnlosen einen Sinn abzugewinnen.

Das führt zu den spannenden Ausführungen von Uwe Rieske über die "Annahme des Unfassbaren" nach dem Tsunami im Dezember 2004. Der Landespfarrer für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland schildert die Erfahrungen aus dem Projekt "hoffen bis zuletzt", das sich den deutschen Opfern und Angehörigen des Tsunamis widmet. Ausgehend von diesen Erfahrungen betreibt das ZERG ein Forschungsprojekt "Nachsorge in Katastrophen", in dem mit wissenschaftlichen Methoden analysiert wird, welche Bedürfnisse Angehörige und Opfer nach einem solchen Ereignis haben und wie man ihnen gerecht werden könnte.

Wolfram Kinzig/Thomas Rheindorf (Hrsg.): Katastrophen - und die Antworten der Religionen, Ergon-Verlag, 192 Seiten, 34 Euro

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