Untersuchung der Uni Bonn Eine Blume verhält sich wie ein Tier

BONN/BERLIN · Forscher der Universitäten Bonn und Berlin untersuchten das Blütenverhalten von Blumennesselgewächsen und veröffentlichten die Ergebnisse.

"Verhalten" ist eigentlich etwas, was mit Tieren und nicht mit Pflanzen verbunden wird. Blumennesselgewächse verfügen aber über ein außergewöhnlich komplexes Verhaltensrepertoire, um die Fremdbestäubung durch Insekten zu optimieren. Wissenschaftler der Universität Bonn und der Freien Universität Berlin haben detailliert untersucht, auf welche Reize die außergewöhnlichen Pflanzen reagieren. Die Ergebnisse sind nun in der aktuellen Ausgabe der internationalen Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science "PLoS ONE" erschienen.

"Blumennesselgewächse haben ihre Bestäubung durch Insekten oder Kolibris mit sehr komplexen Mechanismen zur Perfektion getrieben", sagt Maximilian Weigend, Direktor der Botanischen Gärten der Universität Bonn, der die eigenartige Pflanzenfamilie, die vor allem in Südamerika vorkommt, seit vielen Jahren untersucht.

Jede Pflanze versucht, nicht mit ihrem eigenen Blütenstaub, sondern mit dem Pollen einer Artkollegin bestäubt zu werden. "Die daraus resultierenden Nachkommen tragen neu gemischtes Erbgut und haben dadurch eine größere evolutive Anpassungsfähigkeit", berichtet Erstautor Tilo Henning, früherer Doktorand von Weigend, der am Institut für Biologie, Morphologie und Systematik der Phanerogamen an der Freien Universität Berlin forscht.

Während die meisten Pflanzen während der Blütezeit eher passiv bleiben und höchstens bei Regen oder Dunkelheit ihre Blüten schließen, üben die Blumennesseln praktisch eine totale Kontrolle über ihr Pollenangebot aus. "Ihr Verhalten erinnert in seiner Komplexität eher an ein Tier als an Pflanzen", sagt Weigend.

Die Blumennesseln nehmen zahlreiche Reize aus der Umgebung wahr, verarbeiten diese und stimmen darauf ihr Verhalten ab. Das haben die Bonner und Berliner Wissenschaftler mit aufwendigen Experimenten in der aktuellen Studie herausgefunden.

Wie im Magazin eines Revolvers sind mehr als 100 Staubgefäße in der Blüte hintereinander aufgereiht, die ausgelöst durch Insekten oder Kolibris nacheinander zum Zentrum der Blüte klappen. "Damit lässt sich die portionsweise Pollenabgabe in der Blüte rund 100 Mal wiederholen", berichtet Henning.

Während andere Blüten ihren Blütenstaub in einer oder wenigen Portionen loswerden, können die Blumennesselgewächse so ihren Pollen in zahllosen, immer ungefähr gleich großen Portionen an bis zu hundert verschiedene Besucher abgeben - was die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Pollenexports auf eine andere Pflanze dramatisch erhöht.

Der Botanische Garten der Universität Bonn am Poppelsdorfer Schloss beherbergt 15 der rund 300 bisher bekannten Blumennesselarten. "Das ist einmalig auf der Welt", sagt Weigend, der das Saatgut dazu vor allem von Partnern aus Südamerika bekommen hat.

Für Besucher sind Warnschilder aufgestellt, dass die Gewächse ein Brennen auf der Haut und allergische Reaktionen verursachen können. "An die Warnhinweise sollte man sich auch halten", sagt der Gartendirektor. "Die Härchen auf den Blättern und Stielen brennen wirklich schmerzhaft."

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