Universität Bonn Der Kampf gegen den Textklau

BONN · "Ich spüre eine Verunsicherung bei meinen Studenten und Doktoranden." Das sagt Wolfgang Löwer, Bonner Juraprofessor mit dem Spezialgebiet Wissenschaftsrecht.

 Inzwischen ohne: Annette Schavan wurde der Doktortitel wegen Plagiatsvorwürfen abgesprochen.

Inzwischen ohne: Annette Schavan wurde der Doktortitel wegen Plagiatsvorwürfen abgesprochen.

Foto: dpa

"Unser Nachwuchs erkundigt sich verstärkt nach der richtigen Zitierweise, um nicht in Plagiatsverdacht zu geraten." Wegen Textklaus bei fremden Autoren verloren seit dem Plagiatfall des früheren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg wiederholt auch Bonner Absolventen aus verschiedenen Fächern ihren Doktortitel. Wer vorsorglich Rat sucht, kann ihn neuerdings in einem Lehrbuch der Berliner Hochschullehrerin Debora Weber-Wulff finden.

Sorglose Abschreibereien ihrer eigenen Studenten motivierten sie schon vor zehn Jahren, in zahlreichen Übungen und Veröffentlichungen das Problembewusstsein zu schärfen. In ihrem neuen Buch erläutert die Informatikprofessorin, welche Art von Plagiaten es gibt, wie sie sich gezielt entdecken lassen und was vorbeugend möglich und zu tun ist.

Dabei geht es für Weber-Wulff nicht einfach um eine juristische, sondern um eine berufsethische Frage: um die Ehrlichkeit des Autors vor dem Leser. Unehrlich kann schon eine verheimlichte Übernahme von Ideen sein oder die verschwiegene Mehrfachverwertung eigener Texte.

Kopien aus dem Internet sind mit handelsüblicher Plagiatsoftware nachweisbar; mindestens genauso vertraut Weber-Wulff aber auch persönlichem Googeln nach auffälligen Formulierungen. Das A und O im Kampf gegen Plagiate ist für sie jedoch, die richtigen Herkunftsnachweise, ob direktes Zitat oder etwa bloßer Verweis, mit den Studenten an praktischen Beispielen in Lehrveranstaltungen zu trainieren.

Der Umgang mit Plagiaten war lange nicht so streng wie heute. Das zeigt Weber-Wulff in einem historischen Abschnitt etwa mit Beispielen von der Universität Bonn. So wurde hier vor einem halben Jahrhundert ein Dominikanerpater mit einer sprachgeschichtlichen Arbeit promoviert, in der viele Zitatnachweise fehlten. Der Pater durfte den Doktortitel trotzdem behalten. Die Uni hielt ihm zugute, nicht vorsätzlich getäuscht zu haben. Trotz aller Mängel sei seine Dissertation eine anerkennungswürdige wissenschaftliche Leistung, meinten die Befürworter.

Solche Argumente ziehen heute nicht mehr, wie neuerdings das Gerichtsurteil im Plagiatsfall der früheren Bundesbildungsministerin Annette Schavan beweist.

Anfang der Neunziger stellte eine weitere Bonner Untersuchungskommission fest, dass eine bereits angestaubte Dissertation der Philosophin Elisabeth Ströker "unstreitig zu großen Teilen aus nicht gekennzeichneten Entlehnungen" bestand. Diese seien den damaligen Gutachtern jedoch wohlbekannt gewesen. Was aber wohlbekannt ist, kann keiner Täuschung dienen, entschied die Philosophische Fakultät zugunsten der Doktorin.

Inzwischen könnte auch diese Auffassung als überholt gelten. So stellten etwa Verwaltungsrichter in Hannover 2010 klar: Die Promotion hängt nicht von den Gutachtern ab, sondern von der ganzen Fakultät. Und die wird getäuscht, wenn Professoren aus ganz unterschiedlichen Fächern verschwiegene Textanleihen nicht erkennen können.

Gleichzeitig mit dem Fall Ströker, also Anfang der neunziger Jahre, entschied Bonn über die plagiatsverdächtige Dissertation der Historikerin und Politikwissenschaftlerin Margaritha Mathiopoulos. Die gebürtige Bonnerin war einst zu bundesweiter Bekanntheit gelangt, als der damalige SPD-Vorsitzende Willy Brandt die Parteilose 1987 zu seiner Parteisprecherin nominierte - Auslöser für einen Streit in der SPD, der mit Brandts Rücktritt als Parteivorsitzender endete. Sie habe zwar "handwerklich mangelhaft, aber doch in gutem Glauben" zitiert und eine "originelle These" vertreten, stellte der Dekan bei der damaligen Überprüfung fest. Der Doktortitel blieb unangetastet.

20 Jahre später wurde er dann doch noch aberkannt. Vor Gericht bezeichnete Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz als Uni-Vertreter den früheren Freispruch als Fehlentscheidung, die "den Täuschungsvorsatz unter willkürlicher Bewertung der bekannten Zitierfehler verneint" habe. Mathiopoulos scheiterte mit einer Klage gegen die Bonner Uni. Das wollte sie aber nicht auf sich sitzen lassen. Und so hat das Oberverwaltungsgericht Münster nun über die Zulassung ihrer Berufung zu entscheiden.

Debora Weber-Wulff: False Feathers. A Perspective on Academic Plagiarism. Springer Verlag, 200 S., 37,44 Euro

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