"Uns werden die Arbeitskräfte fehlen"

Obstbauern in Bonn und der Region bereiten Preisverfall und Betriebskosten Sorgen - Bürokratie bei der Sozialversicherung osteuropäischer Erntehelfer belastet - Bemühungen um Arbeitslose

  Beim Obstschnitt:  Andreas Mager, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau Bonn/Rhein-Sieg, macht sich Sorgen um seine Zunft.

Beim Obstschnitt: Andreas Mager, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau Bonn/Rhein-Sieg, macht sich Sorgen um seine Zunft.

Foto: Henry

Bonn. Die Discounter beherrschen den Obsthandel, Erntehelfer aus Osteuropa sind sozialversicherungspflichtig und werden nur noch in begrenzter Zahl zugelassen, während ein ausreichender Ersatz an deutschen Saisonarbeitskräften nicht in Sicht ist: Die Obstbauern haben schon rosigere Zeiten erlebt. Über Wege aus der Misere diskutierte die Fachgruppe Obstbau Bonn-Rhein-Sieg am Dienstag bei einer Tagung mit Experten.

Die in der Vereinigung organisierten Obstbaubetriebe erwirtschafteten 2005 nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 80 Millionen Euro. In der Region stellt der Obstanbau einen wichtigen Wirtschaftszweig dar. Deutschlandweit hat er jedoch mit starken Konkurrenten zu kämpfen.

Die Bedingungen auf dem Markt tun ihr Übriges: Der Handel wird zunehmend von Discountern dominiert, die die Preise diktieren. Sie verkauften laut einer Studie der Nürnberger Marktforscher GfK 52 Prozent des 2005 in Deutschland konsumierten Obstes. Der Untersuchung zufolge waren die Preise insgesamt um ein Drittel niedriger als im übrigen Handel.

Nach der GfK-Studie wurde zwischen 2003 bis 2005 mehr Obst produziert, während gleichzeitig die Preise zurückgingen. Dennoch rät Peter Knüttgen, Geschäftsführer des Centralmarkts Roisdorf-Straelen, den Obstbauern zum Ausbau ihrer Betriebe - damit das Rheinland als Anbauregion neben Hochburgen wie dem Bodensee oder dem Alten Land wahrgenommen wird: "Diese dehnen sich immer weiter aus. Darin sehe ich eine Bedrohung unserer Region."

Ein Produktionsausbau im Rheinland werde die Gesamtstatistik kaum beeinflussen, wohl aber den heimischen Anbau stärken, sagte Knüttgen.

Bei der Vermarktung setzt er auf den Standortvorteil: "Wir haben in Nordrhein-Westfalen 20 Millionen Verbraucher vor der Haustür. Unsere Mitbewerber können diese nur mit einem erheblichen logistischen Aufwand erreichen." Neben dem Preisverfall machen den Landwirten steigende Energie- und Personalkosten zu schaffen.

Laut Peter Muß vom Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer treibt die Sozialversicherungspflicht für osteuropäische Erntehelfer die Lohnkosten um knapp 50 Prozent in die Höhe und verursacht einen erheblichen Verwaltungsaufwand: "Es handelt sich um ein ausgesprochen bürokratisches Verfahren. Für eine Arbeitskraft müssen sieben verschiedene Formulare ausgefüllt werden."

Jetzt erwartet die Landwirtschaft von der Bundesregierung ein Abkommen mit Polen, das die Probleme ausräumt. Mit Blick auf die hohen Betriebskosten sieht Andreas Mager, Vorsitzender der Fachgruppe Bonn-Rhein-Sieg, die großen Abnehmer in der Pflicht: "Für uns ist es von existenzieller Bedeutung, dass die Erzeugerpreise ansteigen. Wenn wir nicht an der Wertschöpfung teilhaben können, werden wir so nicht weiterarbeiten können."

Eine Kluft zwischen gesetzlicher Vorgabe und Wirklichkeit zeichnet sich derweil bei der Beschäftigung inländischer Erntehelfer ab. Um Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen, hat die Bundesregierung die Zahl der osteuropäischen Saisonarbeitskräfte auf maximal 90 Prozent des Vorjahres festgesetzt. In Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis lag diese 2005 bei rund 9 000.

"Wir unternehmen alles, um das Potenzial von Arbeitssuchenden auszuschöpfen", verspricht Manfred Kusserow von der Bundesagentur für Arbeit in Bonn. Zur Überbrückung von Engpässen verwies er auf "Rationalisierungsreserven der Betriebe" und "effektiveren Personalansatz".

Ob das klappt - da sind die Landwirte skeptisch. Mager: "Es ist Tatsache, dass uns in diesem Jahr Arbeitskräfte fehlen werden."

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