Vor 65 Jahren kam es im Kottenforst zu einem furchtbaren Unglück

Peter Esser, Hans Hilger und Kaspar Schwindt sind Freunde. Als sie am 23. April 1945 gegen Mittag mit ihren Handwagen losziehen, um im Wald Holz zu holen, sind sie guter Dinge. Doch die drei Jungs aus Volmershoven werden den Tag nicht überleben.

Vor 65 Jahren kam es im Kottenforst zu einem furchtbaren Unglück
Foto: Roland Kohls

Alfter-Volmershoven. Peter Esser (15), Hans Hilger und Kaspar Schwindt (beide 14) sind Freunde. Als sie am 23. April 1945 gegen Mittag mit ihren Handwagen losziehen, um im Wald Holz zu holen, sind sie guter Dinge. Doch die drei Jungs aus Volmershoven werden den Tag nicht überleben.

Der Krieg ist im Rheinland bereits zu Ende, die Amerikaner sind im März durchgezogen, die Zeit der Fliegerangriffe ist vorbei. Ohne Angst vor dem Heulton der Sirenen schlendern die Jungs über die Schulstraße, die heute Kottenforststraße heißt, durch Heidgen. Da es leicht bergauf geht, müssen sie etwas mehr Kraft aufwenden, um die Wagen zu ziehen.

Am Ortsrand, wo das Gasthaus "Zur Linde" steht, biegen sie auf den Rulandsweg ein, der am Waldrand entlang Richtung Röttgen führt. Noch gut 700 Meter, dann sind sie am Ziel. Sie sammeln Holz und beladen ihre Wagen. Sie erfreuen sich am frischen Buchengrün und an den Kuckucksblumen am Wegesrand. Auch der Flieder steht in voller Blüte. Es ist Frühling.

Dann geschieht das Schreckliche, das Unfassbare: Einer der Jungen kommt mit einer der vielen von der deutschen Wehrmacht für die einmarschierten US-Truppen vorgesehenen Bodenminen in Berührung. Die Explosion ist so gewaltig, die Kinder werden buchstäblich in Stücke gerissen. Sie sind sofort tot.

Dieses grauenhafte Geschehen ist auf den Tag genau 65 Jahre her. Peters Essers Schwester Christel Zimmer, damals 16, heute 81 Jahre alt, fand die toten Freunde. Sie erinnert sich: "Meine Mutter hatte Peter in den Wald zum Holzholen geschickt. Als er gegen vier Uhr noch nicht wieder zurück war, sagte sie zu mir: Geh mal gucken, wo die Jungen bleiben, ich habe keine Ruhe mehr."

Sie sei dann mit Gertrud, der Schwester von Kaspar Schwindt, und Käthe Schneider, einer Frau aus der Nachbarschaft, zum Wald gegangen. Ein Radfahrer sei ihnen auf dem Rulandsweg entgegengekommen. Der habe gerufen: "Da ist was passiert, da ist was passiert". Nur ein paar Schritte weiter bot sich ihr dann ein Bild des Grauens: "Das habe ich mein Leben lang nicht vergessen. Von Kaspar hing nur der Rumpf in einem Baum. Seine Schwester erkannte ihn nur am Hemd. Mein Bruder lag auf der anderen Straßenseite zerstückelt im Feld, überall lagen Körperteile. Ich konnte nur noch schreien und bin wieder nach Hause gerannt."

Zu Hause habe sie nur noch den Satz "Der Peter ist tot, der Peter ist tot" rausgekriegt. Ihre Mutter Barbara, damals sehr krank und bereits Witwe, ist schockiert. Sie habe sich später große Vorwürfe gemacht, dass sie den Jungen in den Wald geschickt habe, erzählt Christel Zimmer. Die Jungen werden gemeinsam in einem Grab auf dem Volmershovener Ehrenfriedhof bestattet.

Christel Zimmer sagt heute, sie habe den furchtbaren Schicksalsschlag dann doch irgendwann verarbeitet: "Wir hatten damals nicht viel Zeit, um lange nachzudenken. Wir hatten viel zu tun. In jedem Haus waren gefallene Soldaten zu beklagen. Ein Jahr nach dem Krieg starb meine Mutter. Ich musste sehen, wie ich als Mädchen und junge Frau alleine ohne die Eltern zurecht kam."

Heute erinnert ein Bilderstock an der Unglücksstelle an die umgekommenen Jungen. Darin ein Marienbild, eingefasst in schwarzes Holz. Darunter die Namen der drei Toten und das Todesdatum 23. 4. 1945 auf einer kleinen Messingplatte. Ein paar Stofftulpen schmücken das Marienbild, zwischen den jungen Buchen blühen Kuckucksblumen.

Ein weiterer tödlicher Unfall Der Volmershovener Adolf Schneider, Jahrgang 1933, ist der Vetter von Hans Hilger, der durch die Mine umkam. Er erinnert sich, dass der Kottenforst zum Kriegsende voller offener Munitionsdepots war, die die Wehrmacht angelegt hatte, um sich gegen die US-Army zu verteidigen.

"Da lagen haufenweise Sprengminen herum", berichtet Schneider aus seiner Kindheit. Er weiß von einem weiteren Unglücksfall, der sich 40 Meter von der Stelle ereignete, an der 1945 die drei Jungen gestorben waren. 1951 trat der fünfjährige Dieter Lehmacher dort während eines Spaziergangs mit seiner Großmutter auf eine Mine. Er war sofort tot. Die Räumung des Gebiets von Sprengstoffen dauerte viele Jahre.

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