Nürburgring-Debakel Crashkurs für Becks Großprojekt

MAINZ · Die Krise des Nürburgrings: Die Insolvenz steht bevor - nun geht alles wieder an den Start mit offenem Ziel. Die Formel 1 wird aber wohl bleiben.

Der weltbekannte Nürburgring steht vor der Insolvenz. Das Bild entstand im Jahr 2009.

Der weltbekannte Nürburgring steht vor der Insolvenz. Das Bild entstand im Jahr 2009.

Foto: dpa

Kurt Beck war im Urlaub an der Mosel und freute sich über Entspannung und Hotelhund Cameron, als sein Telefon heißklingelte. Der Nürburgring steht vor der Insolvenz, die EU-Kommission wird wohl kein grünes Licht für eine Finanzspritze des Landes Rheinland-Pfalz geben. Alarmstimmung an der Mosel: Beck rief seine Leute aus dem Urlaub zu einer eilig einberufenen Sondersitzung nach Mainz. Der Crash der fast komplett landeseigenen Nürburgring-Besitzgesellschaft hat ihm gerade noch gefehlt.

Der Ring ist sein "Baby", er hat den 1927 eingeweihten Ring ausbauen lassen für 330 Millionen Euro, er wollte aus der Traditionsrennstrecke einen Erlebnispark machen und die Eifel damit stärken.

Zur Eröffnung des Prestigeprojekts vor drei Jahren kam selbst Boris Becker, der den Nürburgring ein Motorsport-Mekka nannte. Weil vorher ein internationaler Finanzdeal geplatzt war, hatte das Land Rheinland-Pfalz private Betreiber geholt, doch der Freizeitpark am Ring zog nicht wie erwartet: Die Besucherscharen blieben aus, die erwarteten Pachtzahlungen ebenfalls. Deshalb wollte Becks Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) einen Neustart und kündigte den Betreibern im Februar 2012, um den kriselnden Ring wieder flott zu machen.

Dem Land fuhr allerdings die EU-Kommission in die Parade. Sind rund 500 Millionen Euro Beihilfen tatsächlich rechtmäßig geflossen? Das prüfen die Brüsseler Wettbewerbshüter.

Als der Besitzgesellschaft am Ring das Geld auszugehen drohte, bat Rheinland-Pfalz Brüssel um 13 Millionen Euro Hilfe. Bisher fiel offiziell keine Entscheidung, aber Brüssel hat laut Regierungschef Beck "Nein" signalisiert, weil schon Rettungsbeihilfen geflossen seien. Am Mittwoch sitzt der Landesvater mit drei Ministern in der Staatskanzlei bei einer Pressekonferenz, nachdem am Vortag nichts nach außen dringen durfte.

Becks ernstes Gesicht offenbart, wie ihm zumute ist. Er spricht von einer "bitteren Wahrheit" und redet sich in Rage gegen die Kommission. Verfassungswidrig wäre das Vorgehen in Deutschland, kritisiert er. Dazu kommt, dass 254 Millionen Euro aus dem Haushalt fließen müssen, um eine Kreditbürgschaft des Landes zu decken. Anfang 2010 hatte Beck noch versprochen: "Der Nürburgring eröffnet neue Chancen für Arbeit und für Wertschöpfung und keine Belastung für den Steuerzahler."

Grünen-Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, die dem Nürburgring in Oppositionszeiten kritisch gegenüberstand, unterstützt Beck. Spaniens Banken bekämen Hilfe, eine Landesgesellschaft in Rheinland-Pfalz nicht. "Ich erwarte, dass uns geholfen wird, anderen wird auch geholfen. Wir wollen ja nicht mal, dass die Spanier für uns bezahlen."

Die rheinland-pfälzische CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner spricht von politischer Insolvenz für Beck & Co., FDP-Landeschef Volker Wissing von Gigantomanie. "Die Pharaonen haben sich Pyramiden in den Wüstensand, Kurt Beck den Nürburgring in die Eifel gestellt." Er fordert Becks Rücktritt.

Doch der Regierungschef will im Amt bleiben: "Wir haben niemand als Sündenbock ausgeguckt." Noch im Mai gab es Gerüchte über einen Rückzug Becks, den dementierte er. Nun will er im November wieder als SPD-Landeschef antreten. Das gibt ihm mehr Zeit, um zu schauen, was mit dem Ring passiert, nachdem erstmal ein Insolvenzverwalter am Start ist.

In der Eifel deutet sich an, dass die Formel-1-Motoren bald wieder röhren könnten. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hat bereits positive Signale für 2013 nach Mainz gesandt.

Auch Weltmeister Sebastian Vettel hatte sich im vergangenen Jahr für den Ring stark gemacht: "Es bedeutet sehr viel, gerade mit der Historie hier." Ob "Rock am Ring" am Ring bleibt? Konzert-Guru Marek Lieberberg will das und geht davon aus, dass ein künftiger Macher am Ring dies auch so sieht: "Er würde sich ja in den Fuß schießen, der eh schon bandagiert ist."

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