Forscher sprechen von sensationellem Fund

Bauer Hermann Müllenbruck legt in Grafschaft-Beller mit seinem Pflug eine tonnenschwere Stele frei

Den sensationellen Fund  eines römischen Grabsteins bewundern Hermann Müllenbruck (von links), Andreas Schmickler und Othmar Pothmann.

Den sensationellen Fund eines römischen Grabsteins bewundern Hermann Müllenbruck (von links), Andreas Schmickler und Othmar Pothmann.

Foto: Vollrath

Grafschaft-Beller. Hermann Müllenbruck stieß einen deftigen Fluch aus, als ihn im Oktober vergangenen Jahres ein wuchtiger Stein zwang, die Pflügearbeiten auf einem seiner Felder in Beller zu unterbrechen. Bereits im Jahr davor war sein Pflug an einem Stein hängen geblieben, so dass er einen befreundeten Baggerfahrer erneut bitten musste, das etwa eine Tonne schwere Ungetüm aus dem Boden zu ziehen.

Als seine Frau Agnes im heimischen Hof den Stein mit Wasser und einer Wurzelbürste von einer dicken Erdschicht befreite, wich der Ärger schnell freudiger Erregung. Denn zum Vorschein kam ein kunstvoll in den Stein geschlagenes Relief. Der herbeigerufene Andreas Schmickler, ein im Kreis Ahrweiler bekannter Hobby-Archäologe, erkannte sofort, dass es sich bei dem Stein zweifellos um einen wertvollen Fund aus römischer Zeit handeln musste.

Experten vom Koblenzer Landesamt für Denkmalpflege und des Bonner Stadtarchivs gerieten beim Anblick des ihrer Meinung nach "sensationellen Fundes" schlicht aus dem Häuschen. Was den Beller Landwirt an seiner Arbeit gehindert hatte, ist ein römischer Grabstein. Der Bonner Archäologe Gerhard Bauchhenß datiert die 1,28 Meter hohe, 96 Zentimeter breite und 33 Zentimeter tiefe Stele auf die Zeit um das Jahr 50 nach Christus.

Cliff Jost und Hubertus Ritzdorf vom Landesamt für Denkmalpflege und Ottmar Prothmann vom Stadtarchiv Bonn bezeichnen die Grabstele allein wegen des gutes Zustandes und des Alters unisono als für den Kreis Ahrweiler sensationellen Fund. Im Kreisgebiet existiert nur ein Grabstein dieser Art. Entdeckt wurde das Exemplar um 1900 bei Erdarbeiten zur Erweiterung der Remagener Pfarrkirche. Der 1,81 Meter hohe Grabstein wurde für einen römischen Soldaten angefertigt und steht heute im Römischen Museum.

"Die bei Beller gefundene Grabstele ist unter den bekannten Grabdenkmälern des Rheinlands eine wichtige Neuentdeckung", erklärt Prothmann. Sie sei die älteste Darstellung von Bewohnern der Grafschaft und gelte als frühester Nachweis römischer Besiedlung. Die Stelle, an der der behauene Kalkstein in 38 Zentimeter Tiefe gefunden wurde, ist seit Jahren als römischer Siedlungsplatz bekannt. So verwundert es nicht, dass sich der Stein inmitten eines "Ziegelschuttpaketes" befand.

"Grabsteine dieser Art waren in römischer Zeit üblich, und wurden meist als Baumaterial wiederverwendet", erläutert Hubertus Ritzdorf. Sicher seien auch im Kreis Ahrweiler bei Erdarbeiten einige dieser Steine beziehungsweise Bruchstücke davon ausgegraben worden, aber leider nicht als historisch wertvolle Funde erkannt. Daher appelliert das Landesamt an potenzielle Finder, ihren Fund zu melden, damit er dokumentiert werden kann und der Wissenschaft zur Verfügung steht.

Auf dem Grafschafter Stein sind vier Personen als Halbfiguren dargestellt. Dabei handelt es sich um drei Frauen und einen Mann. Die beiden Frauen auf der oberen Hälfte tragen Hauben, wie sie der Wissenschaft auf so genannten Matronensteinen bekannt sind. Außerdem sind die Frauen in Tuniken - altrömische Gewänder - gehüllt und haben eine Kette mit Medaillon um den Hals hängen. Alle abgebildeten Personen greifen mit angewinkeltem rechten Arm in eine Gewandschlinge.

Bei dem Mann handelt es sich offensichtlich um eine ältere Person, bekleidet mit Toga und Tunika. Leider fehlt der untere Teil des Steines, auf dem sich die Grabinschrift befunden hat. Daher können die Experten bezüglich der dargestellten Personen nur Vermutungen anstellen. "Denkbar ist, dass es sich um einen Mann mit seiner ersten und zweiten Ehefrau sowie einer unverheirateten Tochter handelt", mutmaßt Prothmann. Sehr wahrscheinlich sei, dass sie zur einheimischen Bevölkerung zählten und das Bürgerrecht besaßen.

Der Stein aus römischer Zeit, dessen Wert sich nicht in Euro und Cent messen lässt, soll später seinen Platz im Stadtmuseum Bad Neuenahr-Ahrweiler finden. Eigentümer ist das Land Rheinland-Pfalz, wo es ein so genanntes Schatzregal gibt, nach dem alle Funde grundsätzlich dem Land gehören. Doch bis auf weiteres bleibt der Sensationsfund auf dem Hof von Hermann Müllenbruck, wo sich Wissenschaftler eingehend mit dem Stein beschäftigen werden.

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