Wildschweine pflügen 20 000 Quadratmeter um

Schwarzkittel wühlen sich auf der Suche nach Nahrung systematisch durch Gärten in Bad Honnef - Anwohner in Selhof bemängeln, dass die Tiere sich zu einer Plage entwickeln - Begegnungen meist ungefährlich

Bad Honnef. Da werden die Wildschweine verdutzt geguckt haben: Der neue Friedhof an der Linzer Straße, seit Monaten abends einbeliebter Treffpunkt der Schwarzkittel, ist für die gefräßigen Vierbeiner dicht gemacht worden. Die Stadtverwaltung hat die Zäune rund um das heimgesuchte Areal verstärkt und Löcher geflickt. Seither ist Eber & Co. der Zutritt verwehrt.

Der frühere Friedhofsgärtner und Wildschwein-Experte Willi Reins: "Jetzt ist zwar Ruhe auf dem Friedhof. Dafür finden an anderen Stellen in Selhof wahre Wildschwein-Freßorgien statt."

Allabendlicher Besuch

Reins baut in seinem Garten am Dellenweg keine Kartoffeln mehr an. Statt auf den eigenen Teller, wandern die nämlich in die Mägen der Keiler und Bachen. Gegenüber von Reins Eigenheim wird gerade ein neues Haus gebaut. Reins: "Wer da einzieht, weiß noch nichts von seinem Glück." Denn auch dort pflügen sich die Rotten auf der Suche nach Engerlingen durch das Erdreich.

Jeden Abend komme der "Besuch", sagt Reins, der sich ans Ordnungsamt gewandt hat. Dort wies man den Selhofer darauf hin, dass man der Plage mit dem Gewehr nicht Herr werden könne - und dürfe: Jagen ist auf besiedeltem Areal verboten.

"Wir trauen uns abends nicht mehr auf die Straße", ärgert sich der 78-Jährige, der das Wildschwein-Paradies im Selhofer Süden als "Safaripark" bezeichnet. Die einstigen Felder seien zugewuchert und böten den Wildschwein-Gruppen tagsüber besten Schutz. Nach Einbruch der Dunkelheit würden dann die für die Hobby-Gärtner verhängnisvollen "Ausflüge" unternommen. Selhof sei zum überdimensionalen Restaurant für die Tiere avanciert.

Karl-Georg Handschigl wohnt an der Karl-Simrock-Straße - und auch er ist Opfer der nimmersatten Tiere: "Sie zerstören alles. Und keiner greift ein." Wenn man nicht aufpasse, kämen die Säugetiere mit ihren gekrümmten Eckzähnen bis in die Häuser. Handschigl: "Wenn ''was Brauchbares zu fressen da ist, dann kommen die auch die Treppe rauf." Selbst vor Nachspeisen wie Schokopudding würden die Borstentiere keinen Halt machen, wenn sie des Desserts habhaft werden können.

Handschigl weiß sich aber zu helfen: "Ich habe einen Militärstacheldrahtzaun um mein Grundstück gezogen." Außerdem sei ein neues Tor beschafft worden, das Eindringlingen das Leben schwer machen dürfte. Diee "Festung" habe so manchen Euro verschlungen. 60 Zentimeter tief müsse ein Zaun im Erdreich verankert sein, um sich vor Herrn und Frau Schwarzkittel wirkungsvoll zu schützen.

Von Beruf ist Karl-Georg Handschigl Gärtnermeister. In seiner Obhut befinden sich auch die Außenanlagen der am Wald angesiedelten Post-Akademie.

Der Selhofer habe seinen Augen nicht getraut, als er morgens die ihm zur Pflege anvertraute Wiese sah: "Innerhalb von 48 Stunden wurden dort 20 000 Quadratmeter Wiese zerstört." Wie eine Mondlandschaft habe es ausgesehen, nachdem die Wildschweine zu Werke gegangen waren.

Unangenehme Begegnungen kann es auch für Spaziergänger und Jogger geben. So mancher musste angesichts der plötzlich vor ihnen aufgetauchten, unfreundlich dreinschauenden Keiler Fersengeld geben. Und das nicht nur abends. Erst kürzlich hatte Handschigl um 12 Uhr mittags eine Rotte Wildschweine an der Postakademie vor der Kühlerhaube. Just zu dem Zeitpunkt öffnet dort die Kantine.

Auch andernorts fuhr der Schrecken Anwohnern in die Glieder. Dagmar Knoerich liebt ihren Rundweg in Oberdollendorf, den sie bislang morgens zwischen acht und neun Uhr mit ihrem Hund entlang wanderte und Gymnastik machte. Das hat sie nun eingestellt. Ihre erste Begegnung mit einer Bache hinterließ noch keinen Eindruck, sagt sie.

Als wenige Tage später während ihrer Dehn- und Streckübungen gleich hinter ihr im Gebüsch ein Kampf zwischen Keilern ausbrach, wurde es Dagmar Knoerich doch zuviel. "Ich wusste gar nicht, dass ich noch so schnell laufen kann." Trotzdem ging sie am darauffolgenden Tag wieder in den Wald. "Plötzlich hörte ich wieder dieses schreckliche Grunzen." Seither hat sie ihre Spaziergänge eingestellt. "Ich traue mich einfach nicht mehr", sagt sie.

Bad Honnefs Stadtförster Josef Klöckner mahnt zu mehr Gelassenheit: "Wildschweine sind ja keine Löwen." Normalerweise gehe das Schwarzwild dem Menschen aus dem Weg. Anders sei es, wenn Hunde sich der Rotte näherten. Dann, sagt der Förster, könne es sein, dass Frauchen oder Herrchen ohne ihren Vierbeiner aus dem Wald zurückkehren müssten.

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