Werbetechniker fährt absichtlich eine Rheinbacher Lehrerin an

Prozess: "Ich hatte selten in meinem Leben eine solche Angst"

Rheinbach. Was sich am 26. Februar vor der Bäckerei am Rheinbacher Bahnhof abspielte, ist für eine 37-jährige Lehrerin eines Rheinbacher Gymnasiums noch heute "der totale Albtraum": Als sie am frühen Nachmittag mit ihrem Rad zum Bahnhof kam und in der Bäckerei noch etwas kaufen wollte, wurde sie von einem Autofahrer ohne ersichtlichen Grund beschimpft, beleidigt, mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und schließlich sogar absichtlich angefahren.

"Ich hatte selten in meinem Leben solche Angst. Ich bin schreckhaft geworden und schlafe seither sehr schlecht", schilderte die Lehrerin jetzt vor dem Rheinbacher Amtsgericht die Auswirkungen, die das Geschehen bis heute auf ihr Leben hat. Damals hatte ein ärztliches Attest ihr eine Gehirnerschütterung, Hämatom, Weichteilschwellung und posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt.

Der 55-jährige Angeklagte räumte über seine Verteidigerin die vom Staatsanwalt geschilderte "Auseinandersetzung" ein. Allerdings leugnete er, die Frau mit seinem Auto angefahren zu haben. "Ich habe sie schlichtweg nicht berührt", so der gelernte Werbetechniker.

Seinerseits drehte er den Spieß um und beharrte darauf, dass die Lehrerin ihn "in den Schritt getreten" habe. Dies sollte ein ärztliches Attest untermauern, das ihm einen Tag nach dem Geschehen eine Hodenprellung bescheinigte.

"Ich schlage keine Männer zwischen die Beine, ich trete sie auch nicht in die Hoden", erklärte die Lehrerin im Zeugenstand ruhig. Und fügte hinzu: "Ich verstehe nicht, wie man ein Opfer in einen asozialen Täter umwandeln kann." Eine 16-jährige Schülerin aus Odendorf, die hinzu gekommen war und als in der Schule ausgebildete Streitschlichterin die Polizei rief, konnte bezeugen, dass der Angeklagte "mit einem leichten Ruck" auf die Lehrerin losgefahren war und sie auch mit seinem Auto berührt hatte.

Die ehemalige Wirtin der Bahnhofsgaststätte beschrieb den ihr bekannten Angeklagten als "ziemlichen Choleriker". Eine bis dahin völlig neue Version präsentierte schließlich die 56-jährige getrennt lebende Ehefrau des Mannes.

Sie wollte tatsächlich gesehen haben, dass die Lehrerin in alkoholisiertem Zustand ihr Fahrrad auf den Kofferraum des Autos ihres Mannes gelegt, ihren Mann angeschrieen und schließlich gar das "Knie hoch gehoben" hatte, was ihren Mann habe "zusammenknicken" lassen. Der Richter, der Staatsanwalt, der Anwalt der Geschädigten und die Verteidigerin des Angeklagten selbst waren sich umgehend einig, die Aussage der Ehefrau sofort abzubrechen.

Was diese wiederum in Rage brachte und zu einem lautstarken Auftritt vor Gericht mit Rufmord-Vorwürfen gegen die Geschädigte verleitete, die geschäftsschädigend für sie als selbständige Tänzerin seien. Richter Ulrich Schulte-Bunert bezeichnete diese filmreife Szene allerdings als "peinlich" und äußerte sich empört über das Verhalten, mit dem man im Nachhinein ein Opfer zum Täter habe machen wollen.

Für den Staatsanwalt hatte sich der Anklagevorwurf "vollauf bestätigt". Zudem habe sich die Tänzerin gegenüber ihrer früheren schriftlichen Aussage jetzt vor Gericht in Widersprüche verwickelt. "Das werde ich weiter zu verfolgen haben", kündigte er ein entsprechendes Verfahren an.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten schließlich zu sieben Monaten Haft auf drei Jahre zur Bewährung, zwei Monate Fahrverbot sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 2 000 Euro an die Lehrerin.

Dem Angeklagten gab Schulte-Bunert noch mit auf den Weg: "Ihr Verhalten war einfach bodenlos. Die Strafe habe ich nur mit Bedenken zur Bewährung ausgesprochen und überlegt, ob man Sie nicht direkt in den Kahn schicken muss." Das werde auch der Fall sein, wenn das Schmerzensgeld nicht gezahlt werde.

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