Schloss Hagerhof informiert Schüler über Missbrauchsfälle aus 70ern

Im Internat Schloss Hagerhof hat es in den sechziger und siebziger Jahren offenbar mehrere Fälle von sexuellem Missbrauch an Internatsschülern gegeben. Nachdem der General-Anzeiger am Freitag von mindestens zwei Fällen berichtete, meldeten sich jetzt weitere Zeugen und Betroffene.

  Vollversammlung:  Schulleiterin Gudula Meisterjahn-Knebel stellt sich den Fragen der Schüler von Schloss Hagerhof.

Vollversammlung: Schulleiterin Gudula Meisterjahn-Knebel stellt sich den Fragen der Schüler von Schloss Hagerhof.

Foto: Frank Homann

Bad Honnef. Im Internat Schloss Hagerhof hat es in den sechziger und siebziger Jahren offenbar mehrere Fälle von sexuellem Missbrauch an Internatsschülern gegeben. Nachdem der General-Anzeiger am Freitag von mindestens zwei Fällen berichtete, meldeten sich jetzt weitere Zeugen und Betroffene.

"Ich kann den Artikel nur bestätigen", sagte ein 50-Jähriger, der aus Berlin anrief und der über seine in Bonn lebende Schwester von dem Bericht erfahren hatte. 1973 und 1974 seien er und sein inzwischen verstorbener Bruder am Internat Schloss Hagerhof gewesen.

Er erinnere sich vor allem an einen Vorfall: Damals habe er in ein anderes Zimmer umziehen müssen, das er zunächst alleine bewohnte. Ein Erzieher habe ihn wohl betäubt und sich zu ihm ins Bett gelegt. Dann habe plötzlich eine Erzieherin im Raum gestanden. Später habe er festgestellt, dass sein Penis rot angemalt war.

Kommentar Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Eine Chance für heute""Das Schlimme: Die Erzieherin schien gar nicht besonders überrascht. Und der Täter stieg auch nicht sofort aus dem Bett", erzählt der Mann, der damals 13 oder 14 Jahre alt war - und besonders dies schockiert ihn im Nachhinein, deute es doch darauf hin, dass die Frau eine Mitwisserin war.

Zur Erinnerung: In die Zeit zwischen 1972 und 1976 fielen die Fälle von Missbrauch und auch Vergewaltigung, die zunächst ans Tageslicht gekommen waren. Ob es sich in dem neuen Fall aus dem Jahr 1973 oder '74 um denselben mutmaßlichen Täter handelte, der 1976 fristlos entlassen wurde und Anfang der 2000er starb, war am Freitag nicht festzustellen. An den Namen des Erziehers kann sich der 50-jährige Berliner nicht mehr erinnern.

Dass es im Internat Missbrauch gab, sei damals bekannt gewesen, berichtete er: "Es gab Gerüchte. Aber wir waren Kinder, wir haben das verdrängt." Er wisse, "dass das Ganze etwas länger ging", so der Hotelbetriebswirt. "Das macht mich sehr traurig."

Weiter zurück liegt ein anderer Fall, der dem General-Anzeiger am Freitag offenbart wurde. Ihr Schwager habe sich kurz vor seinem Tod einem Freund anvertraut, berichtete eine Anruferin aus Frankfurt am Main. Er sei Mitte der 60er Jahre von einem Lehrer am Schloss Hagerhof missbraucht worden. "Er hat extrem gelitten, sprach immer wieder von der schrecklichen Zeit im Internat. Wir wussten das aber gar nicht einzuordnen", erinnerte sich die Frau.

Das Problem der Betroffenen: Was damals an dem Internat genau geschah, ist im Nachhinein schwer zu rekonstruieren. Wegen mehrerer Trägerwechsel liegen der heutigen Schulleitung keine Personalakten von damals mehr vor, so Schulleiterin Gudula Meisterjahn-Knebel. Und auf die Hilfe des Rechtsstaats können die Betroffenen nicht zählen.

Verjährung - die in den fraglichen Fällen vorliegt - ist für die Staatsanwaltschaft ein, so heißt das, Strafverfolgungshindernis. Um eine Ermittlung in Gang zu setzen, brauche es "konkrete Anhaltspunkte aus nicht verjährter Zeit", so die Auskunft.

Die Leitung von Schloss Hagerhof beschloss unterdessen, die Missbrauchsfälle von einst offensiv anzugehen. Schulleiterin Gudula Meisterjahn-Knebel berief Freitag eine Vollversammlung ein, in der sie die Schüler über die Vorfälle unterrichtete. "Mir ist es wichtig, dass wir damit offen umgehen", sagte sie und betonte, dass die private Schule mit ihren heute 120 Internatsschülern seit 1996 unter neuer Trägerschaft steht.

"Wir sind stolz auf unsere Schule. Ist das unsere Schule? fragt ihr vielleicht", sagte sie. "Wir wollen etwas anderes sein. Ihr gewinnt Preise, wir machen Musicals." Denn ausgerechnet Freuitagabend war im Honnefer Kursaal Premiere für die neueste Produktion aus dem Schloss Hagerhof - Auftakt für die Feierlichkeiten zum 50-Jährigen, das Schule und Internat in diesem Jahr begehen.

"Wie weit wird das Image des Hagerhofs jetzt beschädigt?" fragte Freitag ein Junge. Meisterjahn-Knebels Antwort: "Ich hoffe, dass die Menschen trennen zwischen dem, was war, und dem, was wir jetzt tun." - "Wie konnte das unbemerkt passieren?" wollte ein anderer wissen. "Das ist eine gute Frage", so die Schulleiterin. "Die Kinder hatten mehr Angst vor Erwachsenen als ihr heute."

Zur Aufarbeitung an Schloss Hagerhof wird es auch gehören, den insgesamt 540 Schülern eine Vertrauensperson außerhalb der Schule zu benennen. Ein Mitarbeiter des Kinderschutzbundes sei naheliegend, erklärte die Schulleiterin den Kindern, sie wolle aber auch mit der Schülervertretung besprechen, wer diese Person sein könnte. Und: "Wenn ihr Fragen habt oder etwas lest, das ihr nicht versteht, dann kommt zu uns."

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