Historiker soll Dunkel um Schloss Allner erhellen

Die Caritas hat so gut wie keine Unterlagen über das ehemalige Kinderheim in Hennef. "Mehlbrei mit verdorbenem Speck" gab es hauptsächlich zu essen.

Hennef. Ein Historiker soll versuchen, Licht in die dunkle Geschichte von Schloss Allner als Kinderheim zu bringen. Das teilte Mechthild Greten, Pressesprecherin der Bonner Caritas, mit.

Der Experte soll versuchen, in Archiven Material über das Kinderheim zu finden, das von 1953 bis 1973 in der Trägerschaft der Caritas bestand und in dem es in dieser Zeit erhebliche Missstände gegeben haben soll ( der General-Anzeiger berichtete). "Wir suchen alle Quellen, die mit dem Heim zu tun haben, etwa Mitarbeiterlisten und Fotos. Wir wollen wissen: Welche Mängel gab es und wer war betroffen", sagte Greten.

Die Caritas verfügt laut Greten lediglich über eine einzige dünne Akte, alle anderen Unterlagen über das Heim für Säuglinge und Kleinkinder sind verschollen oder vernichtet. Die Aufbewahrungspflicht für derartige Akten, so Greten, beträgt 30 Jahre, das Heim wurde aber bereits vor 37 Jahren geschlossen. Selbst über die Gründe der Schließung weiß heute bei der Caritas niemand etwas.

Die Mängel und Missstände in dem Heim müssen eklatant gewesen sein. So waren bei einer Visitation durch das Kreisgesundheitsamt 1965 im Schloss 120 Kinder untergebracht. Wenige Jahre später wurde amtlich verfügt, dass in Allner die Zahl der Kinder von 60 auf 35 verringert werden musste. Gründe dafür sind nicht bekannt, dürften aber in den Zuständen im Heim gelegen haben.

Eine Frau, die heute noch im Rhein-Sieg-Kreis lebt, und nahezu sechs Jahre in Allner verbracht hat, ehe sie adoptiert wurde und in eine Familie kam, berichtet in einem Internet-Blog: "Die Zustände dort waren katastrophal und menschenverachtend." Als sie zu ihren Adoptiveltern gekommen sei, habe sie weder richtig sprechen noch kauen können.

Letzteres habe daran gelegen, dass es hauptsächlich Mehlbrei mit verdorbenem Speck zu essen gegeben habe. Unter anderem auf die Mangelernährung führt sie zurück, dass sie mehrfach an Gelbsucht erkrankte und wegen chronischer Leiden heute Frührentnerin ist.

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