Foltermord in Siegburg: "Ein einmaliges, nicht begreifliches Ereignis"

Abschlussbericht zum Foltermord in Siegburger JVA - Untersuchungsausschuss kommt zu konträren Ergebnissen: Regierungsmehrheit hält Justizministerin für schuldlos, Opposition fordert ihren Rücktritt

Düsseldorf. 14 Monate lang tagte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Foltermord in der JVA Siegburg, 32 Zeugen wurden gehört, und es ging vor allem um eine Frage: Wie steht es um die politische Verantwortung für dieses unfassbare Verbrechen unter staatlicher Obhut?

Nun hat der Ausschuss seinen Abschlussbericht erstellt, und wie erwartet kommt die Regierungsmehrheit von CDU und FDP zu dem Ergebnis: Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter trifft keine Schuld.

Im Rahmen der Untersuchungen habe sich, so CDU und FDP, deutlich herausgestellt, "dass die schreckliche Tat in der Justizvollzugsanstalt Siegburg vom 11. November 2006 mit ihrer tragischen Folge ein einmaliges, rational nicht begreifliches Ereignis ist." Und weiter steht für die Regierungsmehrheit fest: "Anhaltspunkte dafür, dass Mängel oder Missstände bestanden haben, die für die von eigenverantwortlichen Tätern begangene Tat zwingend kausal geworden sein könnten, haben sich nicht ergeben."

Gleich mehrere "Rügen" aber erteilt die Regierungsmehrheit der Opposition und wirft der alten Landesregierung aus SPD und Grünen gravierende Fehler bei der Personalpolitik vor: Es sei nicht nachzuvollziehen, warum von 2003 bis 2006 trotz höherer Belastung 13 Prozent der Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst eingespart und die Anwärterstellen halbiert worden seien. Die Ministerin habe vielmehr sachlich richtig auf das schreckliche Ereignis reagiert und eine Einstellungsoffensive gestartet habe.

Doch die SPD kommt zu dem Ergebnis: Das drängende Problem der Gewalt gerade unter Jugendgefangenen sei der Ministerin seit ihrem Dienstantritt Mitte 2005 durch eine Vielzahl von Hinweisen, Warnungen und Gewalttaten bekannt gewesen. Besonders die Gefahren durch eine Dreier- oder Viererbelegung der Zellen hätten sie zu einem sofortigen Verbot bewegen müssen.

"Die menschenunwürdige Enge des Haftraums, die Belegung mit vier Jugendlichen und die lange unkontrollierte Einschlusszeit ohne Beschäftigung haben gruppendynamische Prozesses freigesetzt, die zu der schrecklichen Tat geführt haben", so die SPD, die nun sicher ist: "Für die Fehler, Missstände und Mängel, die Hermann H. im Jugendgefängnis Siegburg am 11. November 2006 nach fast zwölf Stunden qualvoller Misshandlung und Folter das Leben gekostet haben, trägt Roswitha Müller-Piepenkötter als zuständige Justizministerin die persönliche, insbesondere aber die volle politische Verantwortung." Auch die Grünen sehen eine staatliche und politische Verantwortung für die Tat.

Die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit hat das Bonner Jugendschwurgericht bereits am 4. Oktober 2007 beantwortet und die drei Täter wegen Mordes verurteilt: den zur Tatzeit 17-jährigen Danny K. zu zehn Jahren Jugendhöchststrafe, die beiden Heranwachsenden Ralf A. und Pascal I. nach einer gesetzlichen Sonderregelung für junge Erwachsene zu 14 und 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Fall des als unverbesserlicher Gewalttäter geltenden Pascal I. hat der Staatsanwalt Revision eingelegt, um doch noch lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung zu erwirken. Der Bundesgerichtshof wird den Fall in Kürze verhandeln.

Auch politisch ist der Fall noch nicht abgeschlossen. In einem gemeinsamen Beschluss sprachen sich alle vier Fraktionen für eine Enquete-Kommission aus, die genauer untersuchen soll, wie Gewaltexzesse hinter Gittern verhindert werden können.

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