"Auf Plattborn" leben 370 Tiere Die Strauße von Remagen

REMAGEN · Durchaus Exotisches gedeiht hinter dichten Baumhecken "Auf Plattborn", einer Remagener Höhenlage Richtung Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seit den 90er Jahren hat Maria Bell-Becher (61) dort den alten Gemarkenhof zu einer Straußenfarm entwickelt. Die ersten Tiere kamen 1993, jetzt gehören 250 ausgewachsene und 120 junge Laufvögel zu der Herde.

 Hallo, hier bin ich: Eines von 120 Jungtieren in Remagen.

Hallo, hier bin ich: Eines von 120 Jungtieren in Remagen.

Foto: Martin Gausmann

Auf dem 77 Hektar umfassenden Areal mit Wald, Feldern, Weide- und Grünflächen sowie alten Obstplantagen sind sie nach Altersgruppen in Gehegen untergebracht. 52 erwachsene Hennen und Hähne genießen als "Zuchttrios" Privilegien, haben also für Nachwuchs zu sorgen.

Es ist weder Geheimniskrämerei noch Liebhaberei, was sich in der Höhenluft entwickelt hat: Der Gemarkenhof ist ein handfester landwirtschaftlicher Betrieb, womöglich die größte Straußenfarm in Deutschland, wie die Gründerin glaubt.

Außer Kopf und Krallen wird alles auf dem eigenen Hof verwertet beziehungsweise vermarktet. Und die lebenden Tiere sind Magnet für Touristen aus ganz Deutschland, die Tag für Tag in Bussen anrollen. Wenn sie per Bimmelbähnchen ihre Tour über das Areal machen, schauen sie ebenso neugierig aus den Fenstern wie die Strauße durch die Drahtmaschen ihrer Gatter.

Im Hofladen wird rund um den Strauß alles vermarktet, was nicht auf den Büffets im hofeigenen Restaurant mit Blick über die Eifelhöhen bis zur Burg Olbrück verwertet wird. Der Gemarkenhof verkauft nur an Endkunden, laut Bell-Becher "gesundheitsbewusste Menschen". Sie spricht über das cholesterinarme Fleisch mit viel Eiweiß und Mineralien und verweist dabei auch auf Hildegard von Bingen.

Die Heilige (um 1098 - 1179) soll den gesundheitlichen Wert von Straußenfleisch schon gekannt haben. Bell-Becher nennt ein weitere Argument für die alternative Fleischmahlzeit: "Der Strauß ist kein hoch gezüchtetes Tier, er ist noch in seinem Urzustand", sagt sie und warnt vor Zuchtversuchen. "Wenn wir damit anfangen, ändern wir das Tier und holen uns möglicherweise noch Krankheiten." Auf Plattborn hat Bell-Becher noch keinen kranken Strauß gesehen, allenfalls gebrochene Beine nach Wettrennen oder dem Drehen von Pirouetten.

Die Lederhaut der Strauße wird zu Handtaschen verarbeitet, die im Laden verkauft werden. Auch Federpäckchen sind da zu haben. Aus dem Mark der Beinknochen werden in der Restaurantküche Markbällchen für klare Brühe gemacht. Die unter der Lederhaut liegende Fettschicht, bei einem Lebendgewicht von 110 Kilo pro Tier etwa zwei Kilo, wird zu Hautcreme verarbeitet - oder zu Schmalz mit Röstzwiebeln. Aus der Leber wird Wurst, aus dem Herzen zusammen mit Madeira ein schmackhaftes Ragout.

Junge Strauße schlüpfen nach 42 Tagen im Brutkasten und sind nach elf bis 18 Monaten schlachtreif. Den Stress durch manuelles Fangen und Betäuben mit der Elektrozange möchte die Farmerin den Tieren dann ersparen. Darum kämpft sie mit Bürokratie und Justiz um Genehmigung für schnelles Töten per Kopfschuss, eine bislang nicht erprobte Methode.

Den Touristen bleiben die letzten Minuten im Leben der Großvögel verborgen, nur zehn bis 15 Prozent kommen aus der Region, schätzt Bell-Becher. Als beste Werbung für ihre Farm nennt sie "Mundpropaganda".

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