Volker Wangenheim: Geistliche Chormusik ist sein Zuhause

22 Jahre war der Dirigent Chef des Beethoven Orchesters Bonn - Beim Konzert zum 100. Geburtstag ist er als Hörer dabei

Volker Wangenheim: Geistliche Chormusik ist sein Zuhause
Foto: Horst Müller

Bonn. Kein anderer Dirigent hat das heutige Beethoven Orchester Bonn so geprägt wie sein früherer Generalmusikdirektor Volker Wangenheim.

Als der Berliner seinen Dienst in Bonn antrat, bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, im September des Jahres 1957 das große Festkonzert zum 50. Geburtstag des Orchesters zu dirigieren. Genau 50 Jahre später ist er zum 100. Geburtstag des Orchesters wieder in Bonn.

Diesmal erlebt er die musikalische Geburtstagsfeier des Orchesters am kommenden Dienstag, 2. Oktober, jedoch nicht am Pult, der 79-Jährige hört es sich entspannt von einem Ehrenplatz im Zuschauerraum aus an. Die Arbeit vor dem Orchester übernehmen seine Amtsnachfolger Jan Krenz, Martin Turnovsky, Marc Soustrot und Roman Kofman.

1957 bestand das "Städtische Orchester", wie es sich damals noch nannte, aus 59 Musikern ("Ich war die Nummer 60"), als er Bonn 1979 verließ, hatte Wangenheim dafür gesorgt, dass die Zahl auf 99 erhöht worden war ("Ich war die Nummer 100").

"Man muss für gewisse Dinge im Leben dankbar sein", sagt Wangenheim, der sich und seine Mitmenschen mit bester Gesundheit erfreut: "Wenn man etwas aufbauen kann, und wenn es einem gelingt, etwas zu hinterlassen." Für den bekennenden Zen-Buddhisten hat sich dieser Kreis aufs Schönste erfüllt.

Die Situation des Orchesters war in den ersten Nachkriegsjahren noch nicht zum Besten bestellt. Wie sein Vorgänger Otto Volkmann musste auch Wangenheim zunächst noch in "Kneipen" proben, die Konzerte fanden im Bürgerhaus und in der Uni-Aula statt. Dass dies aber ein vorübergehender Zustand war, davon konnte sich der 29-jährige Orchesterchef sofort ein Bild machen: "Als ich mich in die Kasernenstraße einnistete, bin ich direkt am ersten Abend auf die Baustelle der Beethovenhalle gegangen."

Nach dem Geburtstagskonzert war die Einweihung der Halle 1959 der zweite große musikalische Festakt mit dem Orchester. Die Euphorie für die Beethovenhalle, deren Akustik er für "leicht unterbelichtet" hält, ist seither natürlich auch bei Wangenheim abgekühlt. "Damals war das der beste Konzertsaal in Deutschland. Jetzt haben Sie ein Problem: Und das ist die Kölner Philharmonie. Die ist unglaublich gut. Es ist deshalb wichtig, dass Sie hier in Bonn ein Festspielhaus bekommen", sagt er.

Den Titel Generalmusikdirektor hatte Wangenheim 1963 bei der Stadt Bonn erstritten. "Wenn ich das Orchester aufbauen will, braucht es einen unabhängigen Chef", hatte er damals argumentiert. Gleichzeitig initiierte er den neuen Namen "Orchester der Beethovenhalle", den es bis 2003 behielt.

Aber auch der Städtische Gesangverein fand seinen Namen etwas zu altertümlich, hieß kurze Zeit später "Philharmonischer Chor der Stadt Bonn" und war (bis 1979) direkt dem Generalmusikdirektor unterstellt: "Ich habe praktisch alle Proben selbst gehalten."

1964 bereits brach Wangenheim mit "seinem" Orchester nach Salzburg auf, machte es 1966 bei den Wiener Festwochen bekannt und förderte auch in den folgenden Jahren die weitere internationale Anerkennung, unter anderem mit einer ausgedehnten Konzertreise nach Japan.

Nebenher gründete er in Bonn das Bundesjugendorchester, das er viele Jahre als einziger Dirigent leitete. Für den Musikernachwuchs hat er sich auch mit seiner Dirigier-Professur an der Kölner Musikhochschule eingesetzt: Wangenheims Name taucht in unzähligen Dirigentenbiographien auf, unter anderem auch in der des Kölner GMDs Markus Stenz. Natürlich hat das Orchester auch Wangenheim eingeladen, aktiv am Festkonzert teilzunehmen.

Doch der heute mit seiner Frau in Altenkirchen lebende Musiker lehnte ab: "Ich in bin eigentlich nicht mehr Dirigent", habe er geantwortet, wobei er sich das "eigentlich" noch als Hintertür offenhalten wollte. 1995 hat er zum letzten Mal dirigiert, unterrichtete allerdings noch sechs Jahre über die Pensionsgrenze hinaus bis zur Jahrtausendwende.

"Ich bin Komponist und begrenze mich ganz auf geistliche Chormusik, fast ausschließlich a cappella und auf Latein." Mit einigem Erfolg, wie die Aufführungszahlen belegen. Diese Leidenschaft wurde durch ein Erlebnis in seiner Berliner Jugend entzündet, als er in einer katholischen Kirche einmal einen gregorianischen Choral hörte. Das hat Wangenheim nie mehr losgelassen.

Über die musikalische Neuorientierung spricht er mit fast religiösem Pathos. "So lange man in innerer Unruhe ist und sich selbst noch nicht ganz gefunden hat, braucht man irgendwo einen Hinweis - und das war in meinem Falle Zen. Ich lernte auf einmal, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, und mich ganz darauf einzustellen, dass jeder Tag neu ist und wir alle im Jetzt leben." Sagt es - und strahlt dabei eine beneidenswerte Gelassenheit aus.

"Festkonzert zum 100. Geburtstag des Beethoven Orchesters Bonn", Dienstag, 2. Oktober, 19 Uhr, in der Beethovenhalle Bonn: Peter Tschaikwowsky: Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia", Dirigent Jan Krenz

Maurice Ravel: "Daphnis und Chloé", Suite Nr. 2, Dirigent Marc Soustrot

Igor Strawinsky: Feuervogel-Suite Nr. 2, Dirigent Mark Wurnovsky

Peter Tschaikwosky: "Caprissio italien", Dirigent Roman Kofman

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