20 Jahre Kunstmuseum Bonn Neu sortierte Dauerausstellung mit vielen Überraschungen

BONN · Das Kunstmuseum Bonn feiert am Sonntag sein 20-jähriges Jubiläum. Viele Ausstellungsstücke hat man lange nicht mehr oder noch nie gesehen.

Farberlebnis: Franz Ackermanns gerade entstandene "Kreuzung Blauer Himmel".

Farberlebnis: Franz Ackermanns gerade entstandene "Kreuzung Blauer Himmel".

Foto: Thomas Kliemann

Auf der Kreuzung ist die Hölle los: Vier Fassaden auf starkfarbigem Grund, mächtige Prismen und Tentakel bedrängen den Besucher, der über die vier Ecken Franz Ackermanns Kreuzungsraum betritt. Dem Künstler gefällt die Irritation, die er auslöst. Seine Kreuzung ist ein intensives Kraftfeld, dem sich keiner entziehen kann. Ackermann spricht vom Shibuya Crossing in Tokio, vom Times Square in Manhattan. Seine "Kreuzung Blauer Himmel", an der er bis Donnerstagabend gearbeitet hat, aber liegt in Bonn, im Kunstmuseum, das am Sonntag das 20-Jährige feiert.

Eine Sorge hat der sonst unerschrockene, sympathische Oberbayer allerdings: "Kann ich neben Muchas 'Wasserstandsmeldung' bestehen?" Womit er die ungeheuer starke, mit deutscher Befindlichkeit und dröhnendem Pathos aufgeladene Arbeit von Reinhard Mucha im Nebenraum meint. Er kann dagegenhalten.

Muchas "Wasserstandsmeldung", bestehend aus deutschen Türblättern, die zu filzgefütterten Vitrinen umgebaut wurden, befindet sich an der gleichen Stelle, an der Katharina Schmidt sie vor 20 Jahren bei der Eröffnung des Kunstmuseums zeigte. Eine schöne Hommage.

Versprechungen von Intendant Stephan Berg wurden erfüllt

Als Stephan Berg vor vier Jahren seinen Intendantenjob im Kunstmuseum antrat, versprach er unter anderem, die städtische Kunstsammlung zu reaktivieren und dem Haus zu neuer Attraktivität zu verhelfen. Mit den großen Rochaden "Sammlung Reloaded" (2009) und "Color and Content" (2010) ist ihm das exzellent gelungen. Was er jetzt unter dem Titel "Wasserstandsmeldung" mit seinem Team präsentiert, toppt die früheren Wechsel in den Künstlerräumen.

Denn es ist nicht nur geglückt, etwa Defizite in der figurativen Malerei und beim Informel zu korrigieren. "Wasserstandsmeldung" bringt zudem nicht nur das Kunststück zustande, Historie und Zukunftsperspektive unter ein Dach zu bringen, sondern auch die Geschichte des Hauses und der Bonner Sammlung zu reflektieren und gleichzeitig aufzuzeigen, wie dieser Bestand durch das Engagement privater Sammler wächst und neue Facetten bekommt.

So ist "Wasserstandsmeldung" auch eine Bilanz gelungener Kontakte: Berg brachte die Sammlungen Mondstudio, Scharpff und KiCo ins Haus. Ganz frisch ist die Verbindung zur Telekom-Sammlung, die in der aktuellen Schau nicht nur exzellente Werke von Thomas Scheibitz präsentiert, sondern darunter auch ein Streifenbild, das der Künstler 2005 im deutschen Pavillon der Biennale in Venedig zeigte.

Neu im Kunstmuseum und längst fällig ist ein Ensemble von Neo Rauch, bei dem insbesondere "Waldmann" (2003) mit einer streunenden, dackelähnlichen Fuchs-Ratte vor einer rätselhaften Landschaft die ganze Melancholie und Irritation auslöst, die diesen Maler so unverwechselbar macht. Zu den Neuzugängen zählen auch die raffinierten Fotoarbeiten von Andreas Gefeller. Jürgen Klauke bekommt einen Raum für das unlängst erworbene "Sich optimierende System", eine performative Fotoarbeit.

Helden der Sammlung werden adäquat präsentiert

Eine Wiederentdeckung ist das exzellente Ensemble von Arbeiten Gerhard Hoehmes, denen Berg und sein Vize Christoph Schreier Emil Schumachers "Timur" (erste Erwerbung der rührigen Freunde des Kunstmuseums) und Werke von Fred Thieler zur Seite stellen.

Ein gelungenes Ensemble feiert die wilde Malerei der 80er mit Kohlhöfer, Dahn, Oehlen und Dokupil, während Beuys nach längerer Zeit nun endlich wieder im Piano Nobile allein zur Geltung kommt. Blinky Palermo, Gerhard Richter, Polke und Baselitz: Die Helden der Sammlung sind adäquat präsentiert, bekommen interessante Dialogpartner wie Ursula Schultze-Bluhm mit ihrem erotischen Voodoo-Schrein oder Philip Guston mit seinen kartoffelköpfigen Comic-Figuren und abgedrehten Interieurs.

Mit zwei "Krafträumen" gibt Berg seiner Sammlungsschau eine sehr individuelle Note: In "Petersburger Hängung" über zwei ganze Wände verteilt, breitet das Kunstmuseum neben den zwei Macke-Räumen seine Schätze aus dem Rheinischen Expressionismus aus: Seehaus, Thuar, Nauen, Campendonk, Mense...

Vieles hat man lange nicht mehr oder noch nie gesehen. Die Idee des "Museums als Bilderspeicher, als ästhetische Batterie" sieht Berg hier verwirklicht. Das gilt für diesen Raum und einen zweiten, der ebenfalls in "Petersburger Hängung" die Malerei der Nachkriegszeit Revue passieren lässt und en passant die Geschichte des Kunstmuseums Bonn reflektiert: Paeffgens "Adenauer" im Dialog mit Farbraumkörpern von Graubner, Signalhaftem von Geiger und einer frühen urdeutschen Landschaft von Richter; gegenüber Karl Marx' "Tanzende Knaben" und das wunderbare "Cut up" von Walter Stöhrer. Das hat was. Das macht Spaß.

Keine Frage: Diese beiden Krafträume werden Freunde und Feinde finden - und engagierte Diskussionen auslösen.

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