Schlingmann sagte in letzter Minute ab

BONN · Dagmar Schlingmann aus Saarbrücken will nun doch nicht Nachfolgerin von Klaus Weise in Bonn werden.

In der vergangenen Woche war Dagmar Schlingmann fast schon eine Bonnerin. Die Saarbrücker Generalintendantin war Wunschkandidatin des Kulturdezernenten Martin Schumacher für die Nachfolge Klaus Weises am Theater Bonn. Schlingmann fühlte sich umworben, sprach gegenüber unserer Zeitung von "guten und intensiven Gesprächen", allerdings beschrieb sie die Verhandlungen auch als "komplexes Gebilde". Die Frage "Wie kommen wir da zueinander?" sei noch nicht beantwortet.

Seit Mittwoch weiß die Öffentlichkeit Bescheid. Schlingmann und Bonn kommen nicht zueinander, die Kandidatin bleibt in Saarbrücken. Schlingmann nannte gestern zwei Gründe für ihre Entscheidung. Zum einen habe sie in den vergangenen Tagen eine "ungeheure Wertschätzung" in Saarbrücken erfahren: von Politik, Theater und Publikum.

Zum anderen sei ihr Bemühen erfolglos geblieben, die vom Bonner Rat beschlossene Sparvorgabe von 3,5 Millionen Euro ab der Spielzeit 2013/14 in ihrem Sinne zu reduzieren. Schumacher hätte zwar Brücken gebaut und "gekämpft wie ein Löwe", aber Schlingmann sah keinen Weg, ihr Konzept für das Bonner Theater und die Sparanstrengungen in Einklang zu bringen. Das Bonner Theater sei "nach wie vor ein tolles Haus, aber kein leichtes Haus. Da muss jemand mit Schwung ran."

"Sie wäre klasse gewesen für Bonn"

Der Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher machte Mittwoch keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: "Sie wäre klasse gewesen für Bonn." Schumacher sprach von einem "komplexen Entscheidungsprozess". Schlingmann, die am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken erfolgreiche Aufbauarbeit geleistet habe, sei im Laufe der Verhandlungen womöglich noch einmal klar geworden, "was sie da verlässt". Der Saarländische Rundfunk meldete gestern, dass Kulturminister Stephan Toscani und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer Schlingmann ein Angebot gemacht haben, um sie zu halten. Unlängst wurde bekannt, dass die Landesregierung der Intendantin für 2013 eine neue Bühnentechnik versprochen hat. Kosten: zwischen zwölf und 15 Millionen Euro.

Schlingmann und er seien sich in den Gesprächen thematisch "sehr nahegekommen", unterstrich der Bonner Kulturdezernent, man habe verschiedene Lösungsszenarien diskutiert, um die Kürzungsvorgabe von 3,5 Millionen Euro ab der Spielzeit 2013/14 praktikabel zu gestalten.

"Schweren Schlag gegen den Kulturstandort Bonn"

Schumacher ist nach wie vor der Ansicht, dass es einem neuen Intendanten nicht zuzumuten sei, innerhalb der ersten Spielzeit die vom Rat beschlossene Summe einzusparen: "Das geht nicht. Man braucht Zeit dazu." Über ein Moratorium habe er mit Schlingmann verhandelt, nicht aber über eine Reduzierung der Sparvorgabe. Auch für die Kultur gebe es in Zeiten weitgehend leerer Kassen keine Ausnahme, keine "exception culturelle". Wie aus der Bonner Politik zu hören war, ist Schumachers Ansatz, über die Modalitäten der Sparvorgaben mit Dagmar Schlingmann zu verhandeln, mancherorts auf Widerstand gestoßen. Es habe "massiven Druck gegeben, dass das so nicht gehen würde", sagte ein Beobachter. Eine Stückelung der 3,5 Millionen Euro sei in der Kämmerei umstritten und in der CDU-Fraktion kontrovers diskutiert worden.

Wilfried Löbach von der FDP sah Mittwoch vor allem einen Scherbenhaufen. Er bewertete die Absage Schlingmanns als "schweren Schlag gegen den Kulturstandort Bonn". Es werde nun noch schwerer, einen erstklassigen Nachfolger für Weise zu finden.

"Das kommt davon, wenn man Ratsschläge und Warnungen in den Wind schlägt", kommentierte Jürgen Repschläger, der kulturpolitische Sprecher der Linksfraktion Bonn, die Absage von Schlingmann. "An Warnungen hatte es nicht gefehlt. Sowohl Klaus Weise, die Personalvertretung PROSO als auch der Deutsche Bühnenverein hatten die 3,5 Millionen Euro Einsparung als für nicht machbar bezeichnet. Diese Kürzungen würden an die Substanz von Schauspiel und Oper gehen."

Spannende Zeiten für die Bonner Kultur

Andere gehen mit dem Kulturdezernenten ins Gericht, der die Verhandlungen mit Schlingmann bereits Ende 2011 zu einem erfolgreichen Ende hätte bringen sollen, stattdessen aber das Beethoven Orchester auf seiner China-Tournee begleitet habe.

Der Kulturdezernent verbreitete Mittwoch Tatkraft und Optimismus: "Jetzt geht die Sache einfach weiter. Ich starte sofort." Die Findungskommission werde neu zusammentreten. "Es gibt, da bin ich sicher, geeignete Personen für dieses spannende, aber schwierige Amt. Bonn ist immer noch hochattraktiv", ist sich Schumacher sicher.

Auch Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch äußerte sich zuversichtlich: "Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass es kompetente Menschen gibt, die mit unserem immer noch hohen Finanzniveau von etwa 32 Millionen Euro ab der Spielzeit 2013/14 gutes Theater machen können und flexibel genug sind, sich neuen Rahmenbedingungen zu stellen."

Nachdem Schlingmann abgesagt hat und die anderen möglichen Kandidatinnen Barbara Mundel (Freiburg), Anna Badora (Graz) und Elisabeth Schweeger (Festwochen Herrenhausen) nicht mehr zur Verfügung stehen, beginnt die Kandidatensuche wieder bei null. Eine frühere Gewissheit hat sich aufgelöst: Eine Frau wird nun nicht zwangsläufig Klaus Weise nachfolgen. Dies sind spannende Zeiten für die Bonner Kultur.

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