"Lasst euch überraschen" in den Kammerspielen

Bonn ist und bleibt eine kulturfreudige Stadt, hat Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch versprochen. Und zwar auf hohem Niveau, wie Maaike van Langens Inszenierung von Sibylle Bergs Weihnachtsstück besweist.

Bonn. Bonn ist und bleibt eine kulturfreudige Stadt, hat Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch versprochen. Und zwar auf hohem Niveau, was die künstlerische Qualität und die finanzielle Ausstattung anbetrifft.

Die Angehörigen des Theaters reagieren auf Denkmodelle, in denen eine künftige Reduzierung des Jahresetats von 3,5 Millionen durchgespielt wird, mit Skepsis, Resolutionen und demnächst mit einer Demonstration.

Tickets Karten in den GA-ZweigstellenIm Anschluss an Sibylle Bergs Weihnachtsstück "Lasst euch überraschen", das Maaike van Langen in den Kammerspielen in Bad Godesberg inszeniert hat, übernahm der Schauspieler Rolf Mautz die Rolle des Bühnen-Protestlers. "Jetzt ist Schluss", kommentierte er die diskutierten Kürzungspläne fürs Theater: "An der Kultur sparen heißt an der Zukunft sparen."

Das war ein harter Schnitt. Zuvor durfte sich das Publikum anderthalb Stunden lang über eine Familienbande (Betonung auf Bande) aus dem akademischen Besserverdiener-Milieu amüsieren, die zu Weihnachten zusammenkommt.

Sie fallen übereinander her, saufen, machen sich gegenseitig fertig und beenden den friedlosen, aber ereignisreichen Abend mit den Worten: "Das ist doch, was man macht in Familien. Man verzeiht sich. Man redet schlecht übereinander, man hasst sich, aber man verzeiht sich." So etwas erlebt man immer wieder gerne, zumindest im Theater.

Sibylle Berg hat ihr Weihnachtsstück exklusiv für das Bonner Theater geschrieben. In den Kammerspielen erwarten Mutter (Susanne Bredehöft) und Vater (Rolf Mautz) ihre erwachsenen Kinder Marie (Kornelia Lüdorff) und Lukas (Arne Lenk). In deren Begleitung: die schwangere Lena (Maria Munkert) und der arbeitslose Lektor Fred (Oliver Chomik).

Am Ende stößt noch Minu (Charity Laufer) dazu; sie ist das Produkt eines Seitensprungs väterlicherseits. Bühnenbildner Andreas Freichels hat den Akteuren einen variablen Spielplatz mit großen Raumelementen bereitgestellt, die sich zu immer neuen Theater-Skulpturen formieren.

Freichels hätte auch eine Schlangengrube bauen können, denn hier ist fast jedes Wort eine Spitze, eine dürftig verkleidete Beleidigung. Sogar auf Kosten der guten alten Sozialdemokratie machen sie perfide Witze. Das gehört zu den schönsten Momenten der Aufführung. Absoluter Höhepunkt: Freds Auftritt im Elchkostüm, ein finnisches Volkslied singend.

Ein grandioses Bild von rührender Peinlichkeit und vertrotteltem Charme. Bergs Stück steckt voller Anspielungen auf ihre Kollegen Tennessee Williams ("Katze auf dem heißen Blechdach") und Edward Albee ("Wer hat Angst vor Virginia Woolf"). Berg setzt auf plakative Effekte, zynischen, manchmal herrlich absurden Wortwitz und auf boulevardeske, gelegentlich banale Versatzstücke.

Nicht jede Pointe zündete, manches verlor sich in den Weiten der Kammerspiele. Theater lebt vom Wort, man muss es nur hören, bis hinauf in die letzten Reihen. Dafür gab es galligen Weihnachts-Humor, bis der Baum brannte. Die Schauspieler, die abwechselnd im Bühnenboden versanken, aus ihm hervorkamen oder von oben herabschwebten, nahmen Sibylle Bergs saftige Rollen-Angebote dankbar an.

Susanne Bredehöft als Mutter darf man sich vorstellen als in die Jahre gekommene 68er-Schönheit. Sie trinkt, damit der Alkohol ihre Seele verflüssigt - "die dann durch Niesen abgehen kann". Rolf Mautz als Vater und untreuer Ehemann ist das peinliche Resultat linksliberaler Rhetorik, die ihr egoistisches Fundament nicht mehr verbergen kann.

Kornelia Lüdorff und Arne Lenk erscheinen als geschniegeltes (er), puscheliges (sie), in beiden Fällen hochmaterialistisches Gegenprogramm zu den Eltern. Gruselig. Maria Munkerts Lena und Oliver Chomiks Fred zeugen von den emotional-intellektuellen Verirrungen junger Leute: Sie sind unreif und unberechenbar, hoffentlich nicht repräsentativ für unsere Wirklichkeit. Einzig Charity Laufer als Minu ist gut. Wahrscheinlich ist sie noch nicht alt genug.

Die nächsten Aufführungen: 9., 11., 19., 23., 25. und 31. Dezember.

Auf einen Blick##ULIST##

Das Stück: Weihnachten in der Familie, zynisch betrachtet. Das sieht man gern, zumindest im Theater.

  • Die Inszenierung: Tempo- und einfallsreich, manchmal zu leise.
  • Die Schauspieler: Mit Spiellust und Können bei der Sache.
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