Großer Mahler-Dirigent zu Gast in Köln

Es steckt schon eine Aussage dahinter, wenn Gustavo Dudamel in der Kölner Philharmonie just Mahlers schwermütige 9. Sinfonie für das zweite Konzert in der ausverkauften Kölner Philharmonie auswählte, das auf den Tag fiel, da der venezolanische Dirigent seinen 30. Geburtstag feierte.

Köln. "O Jugendzeit! Entschwundene! O Liebe! Verwehte!" Und: "Leb wol! Leb wol!" lauten ein paar melancholische Seufzer, die Gustav Mahler in den Partiturentwurf zu seiner 9. Sinfonie hineinschrieb.

Es steckt schon eine Aussage dahinter, wenn Gustavo Dudamel in der Kölner Philharmonie just dieses schwermütige, von Abschied, Trauer und Todesgedanken geprägte Werk für das zweite Konzert in der ausverkauften Kölner Philharmonie auswählte, das auf den Tag fiel, da der venezolanische Dirigent seinen 30. Geburtstag feierte.

Man kennt Dudamel ja nicht zuletzt als jugendlichen Zeremonienmeister ausgelassener Klassik-Partys, wie er sie mit dem Simón Bolívar Youth Orchestra of Venezuela häufig feierte. Nun jedoch herrschte anderthalb Stunde tiefster Ernst. Keine Zugabe. Aber es gab eine Viertelstunde stehend dargebrachte Ovationen für den Dirigenten und für das phänomenal aufspielende Los Angeles Philharmonic.

Dudamel zelebrierte das Werk regelrecht, entfaltete den langsamen Beginn mit größter Behutsamkeit, achtete im weiteren Verlauf des komplexen Stimmengeflechtes auf jede atmosphärische Nuance, die das Orchester dank seiner klaren Zeichengebung minuziös umsetzte. Er schärfte, wo nötig, Kontraste, beschleunigte, hielt inne, ließ der Musik immer ganz viel Raum zu atmen, bis sie am Ende dieses Satzes leise erstarb.

Die Gegenwelt dieses halbstündigen sinfonischen Weltentwurfes findet sich dann in den beiden Mittelsätzen, die Dudamel mit enormer Wucht vorbeimarschieren ließ. Die bis ins Vulgäre überzeichneten Walzer- und Ländler-Klänge des zweiten Satzes ebenso wie die irritierende Verknüpfung von Burleske und Fugenkomposition im dritten Satz. Gerade hier zeigte sich das Orchester freilich als technisch absolut verlässlicher Partner für Dudamel.

Dem wilden Tosen des ganzen Orchesters lässt Mahler ein tief melancholisches Finale folgen: Dudamel ließ diesen Abschied, diesen Abgesang mit allergrößter Sorgfalt musizieren, je leiser die Musik wurde, desto größer die Stille im Publikum (die Ergriffenheit wurde selbst dadurch kaum gestört, dass eine Kontrabassistin in den letzten Takten von einem Hustenanfall geschüttelt von der Bühne hasten musste). In Dudamel hat die Musikwelt einen großen Mahler-Dirigenten gefunden.

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