Bonner Oper Das Ballet Preljocaj mit "Und dann 1000 Jahre Frieden"

BONN · 21 Tänzer haben sich in der Bonner Oper mit den weniger friedlichen Aspekten der Johannes-Offenbarung auseinandergesetzt. "Und dann 1000 Jahre Frieden" liefert starke Bilder bis zur Reizüberflutung.

 Wuchtige Dramatik: Die Tänzer des Ballet Preljocaj.

Wuchtige Dramatik: Die Tänzer des Ballet Preljocaj.

Foto: Carbonne

"Und dann, tausend Jahre Frieden": Zum Schluss staksen zwei lebendige Lämmchen über die Bühne der Bonner Oper, und die Choreographie von Angelin Preljocaj scheint das Versprechen ihres Titels endlich einzulösen.

Zuvor haben sich die 21 Tänzer des provencalischen Ballet Preljocaj mit den weniger friedlichen Aspekten der Johannes-Offenbarung auseinandergesetzt. Eine Stunde und 40 Minuten lang kämpfen, leiden und schwitzen sie sich pausenlos durch eine Apokalypse, die sich weniger als Weltuntergangsszenario versteht, sondern dem Wortsinn nach als "Entschleierung" menschlicher Ängste, Abgründe und Hoffnungen.

"Und dann, tausend Jahre Frieden" ist ein Auftragswerk, das sich Preljocaj zur Neueröffnung des renovierten Moskauer Bolshoi-Theaters 2010 ausgedacht hat. Mit Erfolg: Publikum und Kritik feierten das Stück, dessen ausgeklügelte Effektmaschinerie nichts dem Zufall überlässt. Laurent Garnier hat den Techno-Sound in bester DJ-Manier mit Teilen von Benjamin Ripperts "Les Anges" und Beethovens "Mondscheinsonate" zusammengemischt.

Die Musik beziehungsweise die elektronische Geräuschkulisse ist über weite Strecken hart und laut, treibt die Tänzer mit monotonen Rhythmen zu einer von kurzen Intervallen unterbrochenen Aneinanderreihung von Motiven, die oft und gern wiederholt werden. Mit ihrem perfekt auf den Sound abgestimmten Tanz erreichen besonders die synchronisierten Massenszenen eine wuchtige Dynamik, der sich niemand entziehen kann, die sich jedoch auch müde läuft: Zu zaghaft sind in den ruhigeren Passagen die Ansätze eines organischen, ununterbrochenen Bewegungsflusses, mit denen Preljocaj seine Staccato-Choreografie aufzulockern versucht.

Aufwendig setzen sich die häufig wechselnden Kostüme des russischen Modedesigners Igor Chapurin und die Bühnenelemente des indischen Künstlers Subodh Gupta in Szene: Getanzt wird mit Büchern, Stühlen und schweren Eisenketten, die wie tödliche Pfeile aus dem Schnürboden herabschießen; die Tänzer hüllen sich in transparente Plastikfolie, Nationalflaggen und fleischfarbene Nichtigkeiten, beschwören mit Engelsflügeln und Silberschalen, monströsem Kopfschmuck und großem Engagement Assoziationen mit der Hure von Babylon, dem Tier und dem ganzen Who`s Who der Apokalypse herauf.

Zweifelsohne produziert das Stück auf diese Weise viele starke Bilder, operiert aber ganz hart am Rand der optischen und akustischen Reizüberflutung. Auch thematisch lässt Preljocaj nichts aus: Seine Offenbarung umfasst Qual und Erlösung, kriegerische Auseinandersetzung und schwüle Erotik, Psychologie und Politik. Wenn die Apokalypse mit einem derart bombastischen Programm daherkommt, kann man sich irgendwann nur noch nach dem Ende sehnen. Das kommt, wenn die Tänzer beginnen, ihre zuvor um Kopf und Körper drapierten Länderflaggen in großen Waschbecken einzuweichen, effektvoll auszuschlagen und auf dem Boden auszubreiten.

Wassertropfen fliegen in glitzernden Fontänen über die Bühne, und die Seligen haben ihre Gewänder im Blut des Lammes reingewaschen. Kaum ist die biblische Symbolik angekommen, werden die Schäfchen auch schon auf die Bühne getragen. Umringt vom zur Ruhe gekommenen Ensemble blöken sie allerliebst ins Publikum, das bei aller Begeisterung ein bisschen Frieden jetzt gut gebrauchen kann.

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