"Mein Mann ist erschossen worden"

Vor 20 Jahren ermordeten RAF-Terroristen den Diplomaten Gerold von Braunmühl in Ippendorf

"Mein Mann ist erschossen worden"
Foto: Max Malsch

Bonn. "Hier starb am 10. 10. 1986 Dr. Gerold von Braunmühl - Politischer Direktor des Auswärtigen Amtes. Er wurde von Terroristen ermordet." Diese Inschrift auf einer grauen Steinplatte vor dem Haus Nummer 32 in der Buchholzstraße im Bonner Stadtteil Ippendorf erinnert an den feigen Mord zweier RAF-Terroristen an dem damals 51-jährigen Spitzenbeamten. Das Verbrechen ist auch nach 20 Jahren ungesühnt.

Gerold von Braunmühl ließ sich am Abend des 10. Oktober mit einem Taxi von der Arbeit nach Hause zur Buchholzstraße fahren. Es war ein Freitag. Der Beamte stieg aus, eine vermummte Person ging auf ihn zu und schoss ihm zwei Mal mit einem Revolver in den Unterleib. Von Braunmühl versuchte sich noch hinter einem Auto zu verstecken. Da erschien ein zweiter RAF-Verbrecher und schoss dem Vater dreier Kinder in den Kopf.

Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher war nach einem Krankenhausaufenthalt zur Erholung in seinem Haus in Pech. Plötzlich klingelte bei ihm das Telefon. Am Apparat war Hilde von Braunmühl. Genscher beschreibt die Szene in seinen "Erinnerungen".

Die Witwe: "Mein Mann ist erschossen worden." Genscher: "Mit ebenso ruhiger wie tonloser Stimme berichtete die Ehefrau von dem furchtbaren Verbrechen, offenbar unter Schock." Er komme sofort, sagte Genscher, fragte, wo von Braunmühl jetzt sei. Antwort: "Er liegt noch auf der Straße."

Zusammen mit dem Leiter des Planungsstabes im AA, Konrad Seitz, fuhr Genscher nach Ippendorf. Der Minister: "Das Bild des vor mir auf der Straße liegenden Gerold von Braunmühl werde ich nie vergessen. Erschüttert standen wir neben ihm, bis wir schließlich ins Haus gingen, zu Hilde von Braunmühl und ihren Kindern. Wir empfanden alle das gleiche - tiefe Trauer, Entsetzen. Hilflosigkeit."

Gerold von Braunmühl war einer der engsten und wertvollsten Mitarbeiter des Außenministers, besaß große analytische und konzeptionelle Fähigkeiten. Als politischer Direktor war der Ermordete unter anderem für die NATO, die EG, für die Beziehungen zum Warschauer Pakt und zur UNO zuständig. Noch am Nachmittag des Mordtages hatte der Diplomat mit dem französischen Botschafter Serge Boidevaix konferiert.

Am Samstag brachte der damalige Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Gerhard Boeden, Genscher den gefundenen so genannten Bekennerbrief der Attentäter. Genscher: "Im Wahn ihrer ideologisch-fanatisierten und menschenverachtenden Denkweise hielten sie uns Politiker für Charaktermasken, für gesteuerte Werkzeuge." Das so genannte Kommando Ingrid Schubert bezeichnete den Ermordeten als "eine der zentralen Figuren in der Formierung westeuropäischer Politik im imperialistischen System".

Später stellte sich heraus, dass von Braunmühl auf der RAF-Todesliste zunächst nicht verzeichnet war. Erst als von Braunmühls Vorgänger als Botschafter nach Paris gegangen war, wurde dessen Name durch von Braunmühl ersetzt. Später erkannten die Fahnder, dass von Braunmühl mit derselben Waffe erschossen wurde, mit der auch der Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer im Oktober 1977 ermordet worden war.

Damals verschärfte die Bundesregierung die Gesetze gegen den Terrorismus. 1970 war die "Rote-Armee-Fraktion" gegründet worden. 1998 verkündete die RAF ihre Auflösung. Die Terroristen haben in diesen Jahren 34 Menschen getötet. Mehrere dieser Morde, darunter der an Gerold von Braunmühl, wurden bis heute nicht aufgeklärt.

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