Jürgen Nimptsch: "Ohne WCCB keine UN in Bonn"

Vergangenheitsbewältigung steht am Mittwoch um 19 Uhr in der Rats-Sondersitzung im Stadthaus auf dem Programm. Es geht um das WCCB-Desaster und um die Frage, wie es dazu kommen konnte. OB Jürgen Nimptsch im GA-Interview über die Frage, wie es mit dem Kongresszentrum weitergeht.

 Oberbürgermeister im GA-Interview: Jürgen Nimptsch hält auch 150 Millionen Euro, die die Stadt mindestens ins WCCB wird investieren müssen, für gut angelegtes Geld.

Oberbürgermeister im GA-Interview: Jürgen Nimptsch hält auch 150 Millionen Euro, die die Stadt mindestens ins WCCB wird investieren müssen, für gut angelegtes Geld.

Foto: Barbara Frommann

Bonn.Vergangenheitsbewältigung steht am Mittwoch um 19 Uhr in der Rats-Sondersitzung im Stadthaus auf dem Programm. Es geht um das WCCB-Desaster und um die Frage, wie es dazu kommen konnte. Die schwarz-grüne Ratsmehrheit hatte als Diskussionsgrundlage eine öffentliche Fassung des vertraulichen WCCB-Reports des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) gefordert.

Die liegt bis dato zum Ärger von CDU und Grünen nicht vor. Über den Grund und die Frage, wie es mit dem Kongresszentrum weitergeht, sprachen mit Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) Lisa Inhoffen, Florian Ludwig und Rita Klein.

General-Anzeiger: Auf welcher Grundlage wollen Sie am Mittwoch im Rat über den WCCB-Skandal diskutieren? Was ist an dem RPA-Bericht, aus dem der GA bereits berichtet hat, so brisant, dass darüber nicht öffentlich diskutiert werden darf?

Jürgen Nimptsch: Anfangs habe ich auch so gedacht. Aber unsere Rechtsberater haben mich darauf aufmerksam gemacht, welche Folgen die Veröffentlichung dieses Berichts haben könnte. Es steht noch nicht fest, wer möglicherweise Fehler gemacht hat oder beschuldigt werden darf, und es könnten daher Schadensersatzklagen auf die Stadt zukommen. Der Rat kann sich aber in öffentlicher Sitzung auf alle Quellen berufen, die schon öffentlich sind.

GA: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der schwarz-grünen Ratsmehrheit?

Nimptsch: Grundsätzlich wären etwas mehr Gelassenheit, Verlässlichkeit und Vertrauen ganz hilfreich. Überraschend finde ich, welchen Einfluss der kleinere Koalitionspartner, die Grünen, auf das Geschehen nimmt.

GA: Die Stadt bürgt für den WCCB-Kredit von 104 Millionen Euro bei der Sparkasse, inklusive für nicht erbrachtes Eigenkapital des Investors. Das ist das Ergebnis von Nebenabreden, also städtischen Bürgschaften, die laut RPA-Prüfer am Rat vorbei erfolgt sind. Die Stadt will die Nebenabreden für nichtig erklären. Wie soll das gelingen?

Nimptsch: Zunächst teile ich die Einschätzung nicht, dass diese Nebenabreden "am Stadtrat vorbei" erfolgt sind. Allerdings ziehen wir aus anderen Gründen die rechtliche Gültigkeit dieser Nebenabreden in Zweifel. Wir haben inzwischen mit der Sparkasse vereinbart, dass wir uns mit ihr nach Umsetzung des Heimfalls einvernehmlich abstimmen. Dazu haben wir ein neues Gutachten beauftragt, das hoffentlich unsere Rechtsauffassung stützt.

GA: Wenn die Nebenabreden für nichtig erklärt werden, was bedeutet das für die Stadt?

Nimptsch: Wir müssen erst einmal auf beiden Seiten sicher sein, dass das trägt, was wir regeln wollen. Das kann dazu führen, dass der Vergleich bei einer anderen Summe endet als angenommen.

GA: Sie sagen, Sie stehen mit Insolvenzverwalter Christopher Seagon kurz vor einer Einigung über den Heimfall des WCCB-Projekts, also die Rückübertragung an die Stadt. Das stand schon vor Monaten zur Debatte. Warum dauerte das so lange?

Nimptsch: Wir konnten lange keine gemeinsame rechtliche Einschätzung zu wesentlichen Fragen erzielen, zum Beispiel, ob das deutsche Insolvenzrecht über dem europäischen Vergaberecht steht. Von der Beantwortung dieser Frage hängt unter anderem ab, wer die Ausschreibung für den Weiterbau oder für einen Investorenprozess in der Hand hat. Jetzt sind wir auf dem Weg der Einigung. Dafür bitten wir den Rat um eine Kreditermächtigung bis 10,5 Millionen Euro für die noch zu vereinbarende Ausgleichsleistung der Stadt zugunsten der Insolvenzmasse.

GA: Und was ist mit der Investmentfirma Arazim, die laut vorläufigem Gerichtsbeschluss 94 Prozent der WCCB-Anteile besitzt?

Nimptsch: Entweder beantwortet der Insolvenzverwalter diese Frage oder wir beantworten sie.

GA: Wenn Seagon das Problem löst, wird es für die Stadt teurer...

Nimptsch: Dazu sage ich nichts.

GA: Wird die Stadt Hotel und Kongresssaal selbst zu Ende bauen?

Nimptsch: Die Ausschreibung wird in diese Richtung gehen. Parallel suchen wir nach einem Investor oder Betreiber für das Konferenzzentrum bzw. nur für das Hotel. Ich habe Bedenken, den WCCB-Betrieb ausschließlich in private Hände zu geben. Wir wollen UN-Standort sein.

Und da will ich mich niemals darüber unterhalten müssen, ob im Kongresszentrum eine Spiele-Messe oder eine UN-Konferenz stattfindet. Beim Konferenzgeschehen muss die Stadt das Steuer in der Hand haben. Das gilt auch in anderen Fällen. Deshalb habe ich bei der Beethovenhalle verfügt, dass Generalmusikdirektor Stephan Blunier ab sofort vor jeder Ü-30-Party Vorrang hat, wenn er mit seinem Orchester dort proben will.

GA: Das kann teuer werden. Wie will die Stadt das den Bonnern erklären, denen sie gerade Steuern erhöht und Bäder schließt?

Nimptsch: Das muss man gesamtwirtschaftlich betrachten. Hier geht es vor allem um die Zahl der Arbeitsplätze, die durch die UN und alle damit direkt und indirekt in Verbindung stehenden Organisationen geschaffen werden. Und es geht um die sogenannte Umwegrendite, die die Kongressteilnehmer als Kunden in der Stadt lassen.

Ohne das Kongresszentrum wird es auf Dauer keine UN in Bonn geben, und dann verlieren wir in der Summe mehrere tausend Arbeitsplätze. Deshalb führt auch kein Weg an der WCCB-Fertigstellung vorbei. Andernfalls machen wir uns auf den Weg zu einer gemütlichen Universitätsstadt, die aber dann ihren Bürgern vieles nicht mehr bieten kann.

GA: Das WCCB sollte die Stadt null Euro kosten, nun werden es mindestens 150 Millionen. Das wird Bonn lange belasten. Halten Sie das für verantwortbar?

Nimptsch: Wenn wir am Ende über 30 Jahre "nur" 150 Millionen Euro zu zahlen hätten, könnte man fast von einem Schnäppchen sprechen. Im Idealfall wird es so wie bei den städtischen Zuschüssen für das Beethovenfest. Jeder Euro, den wir geben, fließt vierfach zurück. Deswegen ist es auch richtig, Geld für das WCCB auszugeben.

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