WCCB: Bestechlichkeit zu Gunsten der Stadt

Bei den Amtsträgern der Bonner Verwaltung, die vom Investor des WCCB bestochen worden sein sollen, handelt es sich nach GA-Informationen um die Projektbeauftragten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner.

 21. September 2007: Die Projektbeauftragten Arno Hübner (3. v.l.) und Eva-Maria Zwiebler bei einer WCCB-Präsentation für den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es assistiert Bauchef Young-Ho Hong (rechts) von der - inzwischen insolventen - SMI Hyundai Europe (Berlin).

21. September 2007: Die Projektbeauftragten Arno Hübner (3. v.l.) und Eva-Maria Zwiebler bei einer WCCB-Präsentation für den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es assistiert Bauchef Young-Ho Hong (rechts) von der - inzwischen insolventen - SMI Hyundai Europe (Berlin).

Foto: Barbara Frommann

Bonn. Die aktuellen Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft Bonn zum World Conference Center Bonn (WCCB) überstrahlen zurzeit die im Hintergrund laufenden Aktivitäten, eine Lösung für das juristisch und wirtschaftlich leckgeschlagene WCCB zu erreichen.

Die aktuelle Frage, ob ehemalige oder aktuelle städtische Mitarbeiter unter dem Verdacht stehen, von "Investor" Man-Ki Kim (SMI Hyundai Corporation Ltd.) und dessen Anwalt Ha-S. C., unter anderem der "gemeinschaftlichen Bestechung" angeklagt, bestochen worden zu sein, hat sich nach weiteren GA-Informationen bestätigt: Danach besteht der Vorwurf der Bestechlichkeit gegen die WCCB-Projektbeauftragten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner, gegen die die Staatsanwaltschaft offiziell bisher nur wegen des Verdachts der Untreue ermittelte.

Allerdings stehen die beiden Amtsträger nicht im Verdacht, sich persönlich bereichert zu haben. Beide hatten immer wieder versichert, es sei ihnen "stets darum gegangen, im Interesse Bonns das für die künftige Stadtentwicklung wichtige Projekt mit gewissenhafter Arbeit zum Erfolg zu führen".

Wie aus dem öffentlichen Papier der Staatsanwaltschaft hervorgeht, basiert die Anklage wegen Bestechung gegen Kim und C. darauf, dass die Projektbeauftragten eine an die Stadt Bonn gerichtete Rechnung ihres Beraters Michael Thielbeer ( siehe Millionenfalle 61) von SMI Hyundai bezahlt haben wollten.

Die Staatsanwaltschaft: "Als Voraussetzung für den Abschluss eines Projektvorvertrags mit der SMI und die Aufnahme von Verhandlungen über den zu vergebenden Projektvertrag verlangte die Projektleitung im gleichen Zeitraum (Mitte 2005/Anm. d. Red.) die Übernahme der für die Beratertätigkeit des Angeschuldigten Thielbeer bei der Stadt angefallenen Kosten."

In Kurzform: Wer den Berater bezahlt, verbessert seine Chancen, von der Stadt den Zuschlag für das Projekt und damit Millionen öffentlicher Fördermittel zu erhalten. Ein Deal dieser Art sei "als Unrechtsvereinbarung im Sinne der Paragrafen 332 (Bestechlichkeit) und 334 (Bestechung) anzusehen", sagt Andreas Riegel, Rechtsanwalt in Düsseldorf und für die Anti-Korruptions-Initiative Transparency Deutschland tätig.

Zwiebler und Hübner wollten der Stadt Bonn also Geld sparen. Ihre Gegenleistung bestand in einer Zusage für SMI Hyundai. In der Juristensprache: Der Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Zwiebler und Hübner gründet sich auf eigenes dienstpflichtwidriges Verhalten als Gegenleistung für einen sogenannten Drittvorteil. Bis 1997 war das nicht strafbar und zählte nur eigennütziges Handeln.

Dann wurde das Korruptionsbekämpfungsgesetz geändert. Seit 14 Jahren herrscht ein anderer Vorteilsnahmebegriff: Auch wenn Dritte von pflichtwidrigem Handeln profitieren, in diesem Fall die Stadt Bonn als "Anstellungskörperschaft des Amtsträgers", liegt Bestechung vor. Das Fehlen persönlicher Bereicherung verflüchtigt daher seit 1997 nicht mehr den Bestechungstatbestand.

Aus dem Gebaren lässt sich auch ein Risiko für die Stadt ableiten: Nicht der beste Bewerber erhält das WCCB-Projekt, sondern jener, der das Beraterhonorar übernimmt, obwohl der Bonner Stadtrat das Geld zur Zahlung des Beraters extra bewilligt hatte.

Nach GA-Informationen faxte Zwiebler ihr Ansinnen zuerst nicht an Kim und SMI Hyundai, sondern an die damals am WCCB-Projekt arbeitende Kals-Investorengruppe (IKBB AG). Ein entsprechendes Fax-Dokument, berichtete der "Spiegel", war den Ermittlern im Rahmen ihrer bundesweiten Razzia im Zuge der Operation "Gold" Mitte September 2009 in die Hände gefallen. Doch der Empfänger soll nach GA-Informationen abgewunken haben, weil das aus Sicht des Rechtsberaters des Unternehmens "Bestechung" sei.

Bei dem Beraterhonorar handelt es sich - angesichts eines heutigen Projektvolumens von rund 200 bis 300 Millionen - um vergleichsweise bescheidene 32 115 Euro. Dass die Stadt diese Thielbeer-Rechnung nach der Kals-Absage letztlich, wie gefordert, nicht bezahlen musste, dafür sorgte der Berater selbst: "Thielbeer vermittelte diese Forderung an Kim und C., die zur Erreichung ihres Ziels darauf eingingen", so die Staatsanwaltschaft. Das Ziel von Hyundai: Mit allen Mitteln WCCB-Partner der Stadt werden und damit den Zugriff auf viele Steuermillionen erhalten. Die Vermittlung in eigener Sache hat für Thielbeer Folgen: Er wurde nicht nur wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, sondern auch wegen Beihilfe zur Bestechung angeklagt.

Da die für Hyundai handelnden Kim und C. sich mit dem von Thielbeer und Zwiebler vorgeschlagenen Bedingungen einverstanden erklärten, machten bald Kim und SMI mit Thielbeers gutachterlichem Rückenwind das Rennen. Mitte Dezember 2005 kürte der Stadtrat in Unkenntnis der Geschehnisse hinter den Kulissen Kim/Hyundai zum WCCB-Investor. Sie hatten die 32 115 Euro gezahlt und später, so die Staatsanwaltschaft, "über Scheinverträge" auch 600 000 Euro Schmiergeld an Thielbeer.

Die Staatsanwaltschaft beschreibt den Weg bis zur Ratsentscheidung: "Als ersten Schritt erreichte Thielbeer, dass die Vertragsverhandlungen mit der AG durch die Stadt Bonn am 1. Juli 2005 beendet wurden (...) Thielbeer half sodann, den Projektvorvertrag für SMI Hyundai zu entwickeln, der am 8. Juli 2005 geschlossen wurde. Das führte plangemäß dazu, dass weitere Interessenten durch die Projektleitung abschlägig beschieden wurden."

Anfang September 2009 hatte Thielbeer (siehe Millionenfalle 7) dem General-Anzeiger auf die Nachfrage, warum etwa der niederländische Immobilienkonzern Straet-Holding mit einer beglaubigten Finanzierungszusage einer Großbank über 100 Millionen Euro in seiner Schlussexpertise nicht auftaucht, geantwortet: "Ich bitte Sie, diesbezüglich die Stadt zu kontaktieren."

Nachdem Anfang März 2006 der Projektvertrag unterschrieben wurde, erhielt Thielbeer bald auch eine SMI-Anstellung. Auf die Frage, wieso er nun für die andere Seite tätig sei und öffentlich SMI-Visitenkarten verteile, antwortete Thielbeer dem GA: Das geschehe "in Kenntnis der Stadt". Zunächst verlief auch alles Weitere in Thielbeers Interesse: Mitte 2008 wurde er Mit-Geschäftsführer der neuen WCCB-Betreibergesellschaft. Jahresgehalt: 198 000 Euro.

Aus heutiger Sicht führte das Zusammenwirken von Thielbeer mit der Projektgruppe zu einer fatalen Fehlentwicklung: Mit der Auswahl von SMI Hyundai als falschem, weil mittellosem Investor wurde eine verheerende Lawine negativer Folgeeffekte ausgelöst.

Stellungnahme der Anwälte von Zwiebler und HübnerDie Anwälte der ehemaligen WCCB-Projektbeauftragten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner, Stefan Hiebl (Zwiebler) und Nils Kassebohm (Hübner), nehmen zu der jüngsten Entwicklung auf Anfrage des GA wie folgt Stellung:

"Wir bitten um Verständnis, dass wir in einem laufenden Ermittlungsverfahren gegenüber der Presse keine detaillierteren Angaben machen können. Die Verteidigung wird zu allen Umständen des Falles und auch zu der Frage, wann welche Auswahl getroffen worden ist und welches die Gründe hierfür waren, ausführlich Stellung nehmen. Erster Adressat einer solchen Stellungnahme ist die Staatsanwaltschaft Bonn."

Ausdrücklich heben die beiden Anwälte Hiebl und Kassebohm hervor, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft "nicht den geringsten Hinweis auf eine persönliche Bereicherung ergeben haben".

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