Debatte um Abfindung für Friedhelm Naujoks Verwirrspiele und Widersprüche befeuern Gerüchteküche

Nicht Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) steht, wie der Bürger annehmen könnte, an der Spitze der städtischen Gehaltspyramide, sondern Friedhelm Naujoks (SPD), der Angestellte ohne Aufgaben. Mit rund 175 000 Euro Jahresgehalt liegt er rund 40 000 Euro über dem OB.

 Trotz vieler Vorwürfe erhielt Bonns Ex-Gebäudemanager Friedhelm Naujoks (SPD) keine fristlose Kündigung.

Trotz vieler Vorwürfe erhielt Bonns Ex-Gebäudemanager Friedhelm Naujoks (SPD) keine fristlose Kündigung.

Foto: Barbara Frommann

Bonn. Nicht Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) steht, wie der Bürger annehmen könnte, an der Spitze der städtischen Gehaltspyramide, sondern Friedhelm Naujoks (SPD), der Angestellte ohne Aufgaben.

Mit rund 175 000 Euro Jahresgehalt liegt er rund 40 000 Euro über dem OB. Nimptschs Vorgängerin und Parteifreundin Bärbel Dieckmann ("Herr Naujoks ist ein Profi") hatte den Maschinenbau-Ingenieur nach Stationen in Herne und Bielefeld 2004 nach Bonn geholt. Die Bonner SPD und CDU applaudierten und sprachen damals unisono "vom Besten", den der Markt zu bieten habe.

Einen nachdenklichen Ton lieferte nur "Komba", die Fachgewerkschaft für öffentliche Bedienstete: Naujoks sei von den Bielefeldern Mitarbeitern als "eigenwillig und rustikal" beschrieben worden. Kaum war der Große mit dem akkuraten weißen Bart zum Dienstantritt ins Stadthaus gezogen, verschlechterte sich im Städtischen Gebäudemanagement (SGB) das Arbeitsklima.

Bald nannten sie ihn "Fritz, der Schlosser", was auf seine eher durchschnittliche Baukompetenz und studienweise erworbene Kernkompetenz anspielte. SGB-Mitarbeiter beschreiben Naujoks: rüder Umgangston, machtbewusst, allergisch bei sachlichem Widerspruch. Abnicker wären geblieben, Aufrechte gegangen.

Und er möchte niemanden mehr im SGB sehen, so ein Naujoks-Spruch aus den ersten Tagen, "der einen Bleistift mit Reklame benutzt". Das sollte ein Zeichen sein. Schließlich wuchert die Korruption bevorzugt an den Schnittstellen von Baubranche und öffentlicher Verwaltung. Das Verführungspotenzial, so ein Anti-Korruptionsexperte, sei groß: "Das ist so, als wenn Sie einem Hund eine Wurst vor die Schnauze legen und sagen, “die darfst du aber nicht fressen„."

Naujoks ist in diesem Zusammenhang nicht irgendwer, sondern hält Seminare zur "Korruptions- und Manipulationsprävention". Auch Bonner Stadtbedienstete sollen gegen Gebühr zu einer Teilnahme zwangsverpflichtet worden sein. Aus einer Seminarbeschreibung: "Die strafrechtliche Praxis hat in vielen Fällen gezeigt, dass Verwaltungsbedienstete oft nur deshalb in die Gespinste der Korruption geraten sind, weil sie die Absichten der Einflussnehmer nicht rechtzeitig erkannt hatten."

Vielleicht fing es manchmal mit dem falschen Bleistift an. Und nun das: In der Präambel zum Aufhebungsvertrag zwischen Stadt und Naujoks, der dem GA vorliegt, steht "Korruptionsvorwürfe" - und vieles mehr. 394 000 Euro soll Naujoks als Abfindung erhalten. Der Ex-SGB-Chef hat schon unterschrieben, der Arbeitgeber nicht.

Nachdem sich zuletzt abzeichnete, dass sich im Rat keine Mehrheit (mehr) für das "teure Tschüss" organisieren ließ, wurde die Abstimmung verschoben. Der Rat folgt indes der Empörung auf der Straße. Bürger schütteln nach der skurrilen Naujoks-Vorgeschichte bei einer solchen Abfindungshöhe den Kopf.

Wie vor zwei Jahren ganz Deutschland über den "Fall Emmely", der eine Debatte über Bagatellkündigungsgründe auslöste. Eine Supermarktkassiererin war 2008 via Verdachtskündigung nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen worden, nachdem diese zwei verlorene Leergutbons im Gesamtwert von 1,30 Euro eigenmächtig eingelöst hatte.

Genau das hielt Professor Wolfgang Löwer, Verwaltungsrechtler an der Universität Bonn, im Oktober 2010 auch bei Naujoks für das Gebot der Stunde: "Erhebliche Verdachtsmomente stehen im Raum, da könnte man auch mal daran denken, eine Kündigung als Verdachtskündigung auszusprechen."

Doch da war der Zug für die Stadt längst abgefahren. Frist verstrichen - und der Rat ein zahnloser Tiger. Der Anlass lag Monate zurück: Im April 2010 hatte das Rechnungsprüfungsamt (RPA) mit seinem Bericht über das World Conference Center Bonn (WCCB), insbesondere über laxe SGB-Prüfungen, Politiker und Bürger schockiert.

Tage zuvor bereits eine Razzia in Naujoks' Herrschaftsgebiet: Kartonweise trugen die Ermittler Akten aus dem SGB. Auch die Wohnungen von Naujoks und Mitarbeitern wurden durchsucht. Oberstaatsanwalt Fred Apostel ermittelt gegen Naujoks wegen des Verdachts auf Betrug im besonders schweren Fall. Es geht um den städtischen Antrag auf NRW-Fördermittel für das WCCB, konkret um 35,79 Millionen Euro.

Naujoks hat darin testiert, dass das WCCB-Projekt "auskömmlich" und "ausfinanziert" sei. Apostel: "Die Testate waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen." Der Staatsanwalt spricht von "passend gemachten Zahlen". Die RPA-Prüfer hatten Naujoks & Co., den WCCB-Controllern, ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt, insbesondere für deren fahrlässigen Umgang mit dem Stempel "sachlich und rechnerisch richtig".

Nein, das SGB habe "kein geeignetes und effektives Controlling durchgeführt" und "nicht die Interessen der Stadt Bonn gewahrt". Auf 474 Seiten entblättern sich haarsträubende Details und eine seltsam devote SGB-Haltung gegenüber den südkoreanischen "Investoren" und Bauunternehmern, während das Presseamt der Öffentlichkeit suggerierte, das SGB habe alles im Griff.

Millionen landeten irgendwo, nur nicht auf der Baustelle. Zwar hatte Naujoks bereits zuvor, im Dezember 2009, in seinem Rechenschaftsbericht zugegeben, dass das SGB nur jede fünfte Rechnung geprüft habe, aber das war bereits in der Phase von "Es rette sich, wer kann". Keine Stolperfalle wurde Naujoks indes zum Verhängnis - insoweit, dass daraus eine fristlose Kündigung erfolgt wäre.

Nicht die Note "6", unausgesprochen ausgestellt vom RPA für sein WCCB-Controlling, ebenso wenig die gefühlte "5+" bei einer Aula-Brandschutzdecke oder die "5-" bei Naujoks' Kampf gegen die Legionellen. Obwohl alle drei "Zeugnisfächer" nun in der Präambel des Aufhebungsvertrags auftauchen.

Der Fall "Legionellen": Die von der Stadt 2005 im Konrad-Adenauer-Gymnasium (KAG) installierte Anlage Eco-Clean OS 3/40 kostete inklusive Einbau rund 16 000 Euro. Das "anodische Oxidation" genannte Verfahren tötete zwar zuverlässig die Keime, ließ aber Trihalogenmethan (THM) entstehen; THM steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Umgehend wurde die Anlage im KAG abgeschaltet.

Trotzdem bestellte das SGB zwei weitere Anlagen, obwohl deren Arbeitsweise "nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht", wie das Berliner Umweltbundesamt (UBA) mitteilte. Das hatte für erhebliche Aufregung im Stadtrat gesorgt, zumal auch der Staatsanwalt ermittelte.

Es ging um Ausschreibungsfragen und das Geschmäckle, das blieb, weil Naujoks das exotische Verfahren zur Legionellen-Vertreibung mitentwickelt hatte. Gleichwohl bestritt er stets, vom Kauf der Anlagen profitiert zu haben. Oder die von vielen Zweifeln umgebene Auladecke (siehe Kasten unten links), ebenfalls im KAG.

Einerseits meldet das Presseamt am 23. September 2011, dass "ein staatlich geprüfter Statiker in einem Gutachten" die Sicherheit und Tragfähigkeit der Decke bestätigt habe und weist "die Vorwürfe wegen angeblicher Baugefährdung" zurück". Andererseits steht in der Präambel des Aufhebungsvertrags: "Es handelt sich im Einzelnen um den Vorwurf (...) den Tatbestand der Baugefährdung (Auladecke/Anm. d. Red.) verwirklicht zu haben."

Heute jammert man in Stadt- und Rathaus der RPA-Steilvorlage in Sachen WCCB für eine Verdachtskündigung wie einer verpassten Chance nach. Statt dessen zahlte man Naujoks ab Mai 2010 weiter sein Gehalt für dessen Dasein am Katzentisch, nachdem man ihn zuvor vom SGB-Thron gestoßen hatte.

OB Nimptsch hatte damals mitgeteilt, dass die rechtliche Expertise eines Arbeitsrechtlers von einer Kündigung wegen unkalkulierbarer Risiken vor Gericht abgeraten hätte. Und nun wird es mysteriös: Einerseits hat die Stadt Bonn, wie durch den zweiten RPA-Bericht zum WCCB (März 2011) herauskam, für "den Entwurf eines Kündigungsschreibens" (Naujoks) an eine Rechtsanwaltskanzlei nachweislich 2 625 Euro bezahlt, andererseits befindet sich das Papier nicht in den Akten.

Nach GA-Informationen hat es Nimptsch trotz Aufforderung durch Ratspolitiker bislang nicht herausgerückt. Am Freitagabend dann scheinbar die große Wende. Plötzlich hatten die Ratsparteien Nimptsch-Post im E-Mailfach, nachdem der GA nachmittags alle Parteien zum weiteren Vorgehen befragt hatte.

Doch Nimptschs Mail war enttäuschend wie überraschend: Das ersehnte Papier fällt recht dürr aus - ein Musterbrief für eine außerordentliche Kündigung, wie ihn sich jeder aus dem Internet downloaden kann. Vier Sätze für 2 625 Euro? Weil diese Frage auch für Nimptsch absehbar war, erläutert er vorab: "Auch zahlreiche Telefonate" seien abgerechnet worden.

Die Nimptsch-Mail übertrifft alle Erwartungen, denn sie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Zum Inhalt: Demnach hatte der Fachanwalt offenbar doch geraten, Naujoks außerordentlich zu kündigen. Warum kam es dann nicht dazu? Oder existiert noch ein weiteres Papier, was aus Sicht des Steuerzahlers die 2 625 Euro besser rechtfertigen würde?

Solcherlei Geheimniskrämerei vor dem Hintergrund angekündigter WCCB-Transparenz wirkt wie Öl im Feuer der Gerüchteküche. Das Misstrauen vieler Ratspolitiker gipfelt in der Frage: Was weiß Naujoks? Unterfragen: Wer fürchtet sein Wissen? Könnte Naujoks viele Fragen rund ums WCCB sozusagen im Handstreich beantworten, wenn er nicht mit einer Abfindung milde gestimmt wird?

Oder reißt bald der von Parteifreunden über Naujoks aufgespannte Rettungsschirm? Der Stadtrat hat indes keine wirkliche Alternative: Lehnt er die Abfindung ab, muss die Stadt weiter zahlen. Das käme jedoch doppelt so teuer. Die Politiker sitzen - so oder so - in der Zahlungsfalle. Es sei denn, es ergibt sich im "Spiel der verpassten Chancen" ein neuer Kündigungsanlass.

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