Johanneskreuz-Diskussion hält an "Verbote bringen nichts"

BONN · Die Situation rund um den Platz Am Johanneskreuz beschäftigt nach wie vor viele Bonner, auch am Mittwoch noch äußerten sich zahlreiche Bürger via Facebook zu dem Thema und dem offenen Brief, den Anwohner Oliver Leon Ueberholz an Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch geschrieben hat.

In diesem Brief, den Ueberholz bei Facebook veröffentlichte, schildert er die Situation vor Ort und kritisiert die Untätigkeit von Ordnungsamt und Polizei. Anlass waren wiederholte Beleidigungen und Pöbeleien von Suchtkranken.

Die meisten Kommentatoren bestärken Ueberholz in seiner Kritik. "Bonn ist zum Auffangbecken für Drogensüchtige geworden, und die Polizei jagt lieber Falschparker. Ich weiß schon, warum wir weggezogen sind", schreibt Katrin Flügge.

Timo Schilling meint: "Lass Dich nicht kleinkriegen." Die Stadt betonte am Mittwoch erneut, dass den Mitarbeitern des Ordnungsamtes in vielen Fällen die Hände gebunden seien und bloßer Alkoholkonsum auf dem Platz nicht verboten werden könne.

Platzverweise erteilen können die Mitarbeiter laut Sprecherin Elke Palm, wenn die Betroffenen Hunde frei laufen lassen, in der Öffentlichkeit urinieren, offenes Feuer oder massiv Lärm machen oder offen Drogen nehmen. "Aber das finden wir so meistens nicht vor", sagt Palm.

Eine Alkoholverbotszone einzurichten, sei ein langwieriger Vorgang und rund um den Platz Am Johanneskreuz auch nicht umsetzbar. "Es muss eine abstrakte Gefahrenlage vorliegen", sagt Palm. Demnach müsse erwiesen sein, dass es zwischen dem Drogenkonsum und den Straftaten einen direkten Zusammenhang gibt. "Das ist am Johanneskreuz so nicht gegeben".

Anders als im Fall "Bonner Loch", wo dies unter anderem durch polizeiliche Lageberichte bestätigt war. Die Anforderungen für ein Verbot müssten einer Überprüfung standhalten, in Freiburg sei eine Verbotszone wieder gekippt worden.

Die rechtliche Grundlage für die Kommunen ist laut Claudia Roth, Sprecherin des NRW-Innenministeriums, das Ordnungsbehördengesetz. Es erlaube Platzverweise sowie "räumlich oder zeitlich befristete Alkoholverbotszonen", wenn der Alkoholkonsum Grund für die Ordnungswidrigkeit oder Straftat sei.

"Aber Trinken allein ist keine Störung", sagt Roth. Gerichte und Juristen täten sich deswegen schwer, leichtfertig Verbote auszusprechen. "Das ist ein starker Eingriff in die Grundrechte", sagt Roth.

Mit Verboten lässt sich die Situation am Johanneskreuz nicht regeln, meint Benjamin Etzold, wissenschaftlicher Mitarbeiter am geografischen Institut der Uni Bonn. Er forscht über Konflikte im öffentlichen Raum und hat mit Studenten auch die Situation am Johanneskreuz untersucht. "Klar ist, die Verlagerung der Szene ist direkte Konsequenz des Alkoholverbots", sagt Etzold. Und der Platz scheine bewusst als Ausweichquartier toleriert zu werden.

"Es findet keine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema statt", so Etzold. Außerdem gebe es keine Bemühungen, dem Phänomen entgegenzuwirken, etwa durch eine Aufwertung des Platzes oder Überlegungen, wie man ihn alternativ nutzen könne. "Verbote und rechtliche Schritte sind nicht sinnvoll, man muss in Kontakt mit den Betroffenen treten und mehr Toleranz zeigen."

Das sieht Caritas-Direktor Jean-Pierre Schneider ähnlich. "Man muss soziale Maßnahmen in den Blick nehmen. Ein Verbot löst das Problem nicht und führt bloß zur Verlagerung", so Schneider.

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