Streit eskaliert Universität bietet Politikern die Stirn - Nutzpflanzengarten aus Protest geschlossen

POPPELSDORF · Welcher Grundstücksbesitzer lässt sich gerne von anderen vorschreiben, wie er seinen Garten zu gestalten hat? Auch die Universität Bonn nicht. Sie hat deshalb Anfang Juni ihren Nutzpflanzengarten II (NPG II) der Botanischen Gärten, der direkt an den neuen Campus-Poppelsdorf grenzt, für die Öffentlichkeit geschlossen - und zwar "mit Blick auf die kommunale Beschlusslage", so das Schild am Gartentor.

 Ganz viele Pflanzen, die es nicht im Supermarkt zu kaufen gibt, wachsen im Nutzpflanzengarten der Uni. Doch jetzt hat die Hochschule aus Protest die Öffentlichkeit erst mal ausgeschlossen.

Ganz viele Pflanzen, die es nicht im Supermarkt zu kaufen gibt, wachsen im Nutzpflanzengarten der Uni. Doch jetzt hat die Hochschule aus Protest die Öffentlichkeit erst mal ausgeschlossen.

Foto: Stefan Knopp

Auslöser dafür ist eine Entscheidung des städtischen Hauptausschusses. Dort hatten sich die Politiker im Mai dafür ausgesprochen, dass der NPG II im Bebauungsplan für den Campus Poppelsdorf nicht als bebaubare Fläche dargestellt wird, wie die Uni es wollte. Die Entscheidung wurde getroffen auf Antrag der "Bürgerinitiative für die dauerhafte Erhaltung des Nutzpflanzengartens Poppelsdorf", die das botanische Kleinod als wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt sieht.

Für deren Vorsitzende Angela Semmelroth ist die Schließung nun eine "kleingeistige Trotzreaktion" der Uni. "Sie übersieht dabei offensichtlich, dass wir in einem demokratischen Staat leben." Bei der Uni sieht man das anders: Die fragliche Fläche gehört nicht der Stadt, sondern dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb, die Uni ist Mieterin und hat nach bisherigem Planungsrecht "weitgehende Freiheiten in der künftigen Nutzung der Flächen", so Uni-Sprecher Andreas Archut.

Über deren Gestaltung hätten städtische Gremien nicht zu entscheiden. Und der NPG II, der an das Baugebiet des Uni-Campus grenzt, sei nicht Teil der Schausammlung, so Archut. "Er muss daher auch derzeit nicht öffentlich zugänglich sein." Wer Nutzpflanzen besichtigen wolle, könne das auch im systematisch geordnete andere Teil (NPG I) entlang der Karlrobert-Kreiten-Straße tun.

Auslöser für den Unmut der Bürgerinitiative ist indes die Aussage von Uni-Seite, dass sie den Garten erweitern wolle, in den nächsten 15 Jahren nicht an eine Bebauung der Fläche denke, sich aber nicht langfristig festlegen will: "Die Uni hat aus ihren Aufgaben in Forschung und Lehre heraus ein originäres Interesse am Thema Nutzpflanzenvielfalt. Wir wollen aber kommenden Generationen die Entscheidungsfreiheit darüber erhalten, wie sie diese Aufgaben organisieren wollen", hält der Uni-Sprecher dem entgegen.

Hinzu kommt die Befürchtung der Initiative, dass die Uni den Nutzpflanzengarten zum landwirtschaftlichen Forschungszentrum nach Klein-Altendorf verlegt. "Die Universität favorisiert aber derzeit aus vielen Gründen den Ausbau des Gartens am Standort Poppelsdorf", widerspricht Archut. "Das haben wir bei der Vorstellung unserer umfangreichen Pläne im Dezember 2011 deutlich gemacht. Diese Überlegungen gelten weiter."

Die Unterstellungen gegen die Uni von Bürgern und Politikern seien ärgerlich, sagt er. "Statt uns zu unterstützen, behandelt uns die Kommunalpolitik schlecht und tut so, als ob wir mit Hinterlist und Heimtücke irgendwem etwas wegnehmen wollten."

Beim Misstrauen der Initiative geht es seiner Meinung nach um Besitzstandswahrung. "Alles soll so bleiben, wie es ist. Das erkennt man daran, dass die selbst ernannten Nutzpflanzenbewahrer interessanterweise die offenkundigen Vorteile der Verlagerung des Nutzpflanzengartens auf dem Campus Poppelsdorf wegwischen beziehungsweise klein reden."

Die Initiative hatte sich sogar Rückhalt von Vandana Shiva, Pat Mooney und Henk Hobbelink geholt, Trägern des Alternativen Nobelpreises: Sie plädieren in einem Schreiben an die Universität leidenschaftlich für den Schutz der Artenvielfalt. In seiner Antwort erläutert Rektor Jürgen Fohrmann den Sachverhalt, versichert, dass - sollte man sich jemals für eine anderweitige Nutzung des Gartens entscheiden - dieser nicht ersatzlos verschwinden werde.

Er bedauere, dass sich die Wissenschaftler von der Bürgerinitiative haben instrumentalisieren lassen. Die will jetzt erreichen, dass der gesamte Nutzpflanzengarten bekannter wird, unter anderem, indem sie mehrere Führungen anregt. "Der Nutzpflanzengarten - optimal präsentiert und gepflegt - könnte ein einmaliges Aushängeschild für die Universität sein", so Semmelroth. Darin immerhin sind sich Initiative und Uni einig.

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