Ulrich Kelber, der grüne Sozialdemokrat

Bundestagskandidaten im Porträt: SPD-Politiker hofft darauf, ein drittes Mal das Direktmandat zu holen

Bonn. Ulrich Kelber, 41, "zwitschert" gern mit dem Handy via Internet. Das weiß das ganze Land spätestens seit der "Twitter"-Affäre bei der jüngsten Bundespräsidentenwahl.

Das Internet - für den Bonner Bundestagsabgeordneten der SPD ein wichtiges Instrument zur Verbreitung seiner politischen Ideen. Dafür knüpft der studierte Informatiker Netzwerke über Internet-Gemeinden wie Facebook und Xing. Der Fraktionsvize der SPD im Bundestag bezeichnet sich zudem gerne als "gläsernen Abgeordneten": Wer will, kann alle Einkünfte Kelbers auf dessen Webseite nachlesen. Dort führt er auch sein Lobbyisten-Tagebuch.

Zur PersonUlrich Kelber, Jahrgang 1968, wächst in Bonn auf. Nach dem Studium arbeitet der Diplom-Informatiker von 1991 bis 1995 im GMD-Forschungszentrum Informationstechnik, heute Teil der Fraunhofer-Gesellschaft. Danach ist er Mitarbeiter einer Software-Firma und Wissensmanagement-Berater. Kelber kommt 2000 als Nachrücker in den Deutschen Bundestag. 2002 und 2005 holt er das Direktmandat Seit Mitte der 1980er Jahren aktiv in der Bonner Kommunalpolitik, ist Kelber von 2001 bis 2008 Vorsitzender der Bonner SPD.

Doch manchmal geht es auch ganz ohne moderne Kommunikation. Wie im Frühjahr, als Kelber vier Tage abgeschieden im sambischen Busch bei einer Kleinbauernfamilie verbrachte, deren einzige Technik eine mit Solarenergie betriebene Wasserpumpe ist. Oder vor Beginn des Wahlkampfs, "als ich eine Woche lang durchs Hochgebirge gewandert bin". Allein, ohne Handy, ohne Zeitung."Da habe ich tief durchgeatmet", sagt der 41-Jährige. "Ich liebe die Natur. Sie ist unsere Lebensgrundlage." Schon als Teenager ist Kelber aktiv in der Umweltbewegung, Mitglied bei Greenpeace, beim ADFC. Die Grünen sind ihm jedoch zu monothematisch, deshalb der Eintritt in die SPD nach deren Parteitag zur Umwelt 1985. Heute ist der 1,97-Meter-Mann, der bei der Bundestagswahl zum dritten Mal das Direktmandat holen will, in seiner Partei Fachmann für Nachhaltigkeit, Umwelt, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Natur und Technik sind zwei Welten, die für Kelber - zweimal bereits von der Öko-Industrie ausgezeichnet - durchaus zusammenpassen. Sein eigenes Haus in Holzlar ist ausgerüstet mit einer Solarthermie-Anlage für Warmwasser und einer Fotovoltaik-Anlage, mit der die Kelbers Strom ins Netz einspeisen. Der Strom aus der Steckdose stammt aus erneuerbaren Energien, Kelbers Polit-Thema schlechthin.

Doch der typische Öko ist Kelber nicht. Stichwort Effizienz, ein weiteres politisches Kernthema: "Die Ölheizung im Keller ist hochwertig. Warum sie also rausschmeißen?" Und im Wohnzimmer steht ein großer Flachbildschirm, der im Stand-by-Modus ganz wenig Energie verbrauche, wie Kelber schnell hinzufügt.

Kelber, ganz Politiker, hält es tatsächlich für möglich, dass Wohlstand und Klimaschutz weltweit möglich sind - Verzicht nicht ganz ausgeschlossen, beim Fleischkonsum beispielsweise. Oder bei der Mobilität: Die Familie, die aus Vater, Mutter und fünf Kindern besteht, fährt zwei Autos: ein großer Van, mit dem seine Frau das Familienleben managt, ein Pkw für Kelber ("mit Bus und Bahn schaffe ich nicht jeden Termin"). "Im bundesweiten Vergleich ein gutes Verhältnis", findet Kelber.

Tatsächlich neige er zur Askese, sagt seine Frau: "Er kommt mit ganz wenig aus. Eigentlich steht ihm hier viel zu viel herum", sagt die zierliche Brünette und zeigt auf die verschnörkelte Anrichte im Esszimmer mit ihren Porzellan- und Glaswaren. Das streng Protestantische aus der Familie väterlicherseits - sein Großvater war lutheranischer Pfarrer - habe Spuren hinterlassen, gibt Kelber zu.

Bis auf den jüngsten, 18 Monate alten Sohn, der friedlich schläft, sind alle Kinder, das älteste ist 14, an diesem Morgen ausgeflogen. Kelbers irischer Wolfshund döst im Wohnzimmer. Wie turbulent es nachmittags zugeht - man erahnt es schon am Hoftürchen, wo man an Bobbycars und Meerschweinchenstall vorbei zur Haustür gelangt. Im Esszimmer neben den massiven Möbelerbstücken ein Klettergerüst. Wohin der Blick auch geht: Kindersachen.

Überhaupt die Kinder: Die bestärken Kelber darin, sich für den Schutz der Natur einzusetzen. Und schon wieder kommt er auf politische Themen zu sprechen. Man glaubt dem Mann glatt, wenn er sagt: "Für Hobbys hab ich kaum Zeit. Ich habe mein Hobby Politik zum Beruf gemacht." Ob Ulrich Kelber allerdings in der nächsten Legislaturperiode wieder im Bundestag sitzt, ist offen. Wenn er das Direktmandat nicht wieder holt, dürfte es mit seinem Platz 16 auf der Landesliste je nach Abschneiden der SPD eng werden.

Kurz gefragtGA: Worüber können Sie lachen?

Ulrich Kelber: Britischen Humor, rheinische Büttenreden, Zirkusvorstellungen meiner Kinder.

GA: Was regt Sie so richtig auf?

Kelber: Intoleranz, Lügen und fiese Täuschungsmanöver.

GA: Kochen Sie?

Kelber: Eher selten, meine Frau kocht einfach besser. Ich könnte für ihre Bratkartoffeln sterben.

GA: Was lesen Sie gerade?

Kelber: In den letzten Wochen eines Wahlkampfes fehlt mir dazu leider die Zeit. Im Herbst möchte ich dann von Charles Darwin "Die Fahrt der Beagle" lesen.

GA: Was möchten Sie gerne besser können?

Kelber: Namen merken und Gesichter zuordnen. Meine Entschuldigung an alle, die ich nicht wiedererkannt habe.

GA: Wohin wollten Sie schon immer mal reisen?

Kelber: Nach Grönland und nach Costa Rica.

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