Ulrich Kelber: "Ich empfehle, Stadtwerke zu behalten"

SPD-Bundestagsabgeordneter zum Kaufangebot und dessen Nachteilen - Warnung für Wechselwillige

Bonn. Sollen die Stadtwerke Bonn eigenständig bleiben oder an Köln verkauft werden? Was passiert mit den Preisen für Strom, Gas, Wasser? Ulrich Kelber ist einer, der Einfluss hat und sich als Energieexperte in der Materie auskennt. Mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten und SWB-Aufsichtsrat sprach Rolf Kleinfeld.

GA: Warum kommt für Sie ein Verkauf nicht in Frage, obwohl den Stadtwerken die Kunden scharenweise weglaufen und das Unternehmen offenbar zunehmend in Schieflage gerät?

Ulrich Kelber: Aus meiner Sicht gerät es nicht in Schieflage, es ist normal, dass man keinen 100 Prozentanteil im Heimatmarkt halten kann. Die SWB müssen allerdings besser werden. Ich kann den Bonnern nur empfehlen, eigene Stadtwerke zu behalten. Das ist ein wichtiges Stück Daseinsvorsorge. Denn so entscheiden wir über die Strom- und Gaspreise, über Ausbildungsplätze, die Trinkwasserqualität.

GA: Die RheinEnergie lockt mit 285 Millionen Euro, mit billigeren Tarifen für Kunden und Arbeitsplatzgarantien für SWB-Mitarbeiter. Ist das Angebot zu schlecht?

Kelber: Es ist ein faires Angebot, aber es ist keines, das man annehmen sollte. Die Höhe der Stromtarife ist eine Momentaufnahme. Zum 1. Januar werden die RheinEnergie deutlich stärker erhöhen als die Stadtwerke Bonn. Und zweitens gilt: Den Kaufpreis von 285 Millionen Euro werden die Rheinenergie in Bonn erlösen wollen. Das werden die Bonner als Kunden finanzieren müssen

GA: Was heißt das?

Kelber: Die RheinEnergie wird kein Geld mitbringen, sondern der Kaufpreis wird sich aus Rationalisierungen und Gewinnmargen von Strom, Gas und Wasser ergeben müssen. Also mit Geld aus Bonn.

GA: Zusammen mit Köln gäbe es große Synergieeffekte. Wie würden Sie diesen Vorteil ausgleichen, wenn die SWB allein blieben?

Kelber: Die SWB können auch in Eigenregie eine Menge Effizienz haben. Und man kann durch Zusammenarbeit mit RheinEnergie und anderen Unternehmen noch eine Menge erreichen, zum Beispiel beim Strom- und Gaseinkauf. Ich bin mir sicher, dass auch die RheinEnergie nach einer Phase des Drucks auf Bonn zu Kooperationen zurückkehren wird, sie ist ein natürlicher starker Partner in der Region.

GA: Was würden Sie tun, wenn Köln und die Rhenag aus Ärger über das abgelehnte Angebot und die Erfolge der SWB in Sankt Augustin mit Dumpingpreisen in Bonn angreifen?

Kelber: Die RheinEnergie ist ein kommunales Unternehmen. Und die Kölner Politik wird nicht zulassen, dass Dumpingangebote unterhalb der eigenen Kosten in der Region gemacht werden. Die Rhenag als RWE-Tochter versucht wie die Eon-Tochter "e-wie-einfach", alle Stadtwerke als unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Das Ziel sind neue Monopole mit hohen Preisen. Das ist ein Fall für das Bundeskartellamt.

GA: Ohne größere Partner geht es auf Dauer nicht, da sind sich alle einig. Wen sollen die Bonner nehmen, wenn nicht Köln?

Kelber: Viele Stadtwerke der Größe Bonns bleiben eigenständig, wenn sie gut aufgestellt sind. Was nicht geht, ist alles allein zu machen. Man braucht Partner für Einkauf, Abrechnung, Dienstleistungen. Hier haben wir bereits erste Partner wie den Stadtwerkeverbund Trianel, aber wir brauchen noch weitere.

GA: Warum findet eine Strategiediskussion über die Stadtwerke unter Ausschluss der Öffentlichkeit und nicht im Stadtrat statt?

Kelber: Im Moment findet die Strategiediskussion leider auf Pressekonferenzen statt und nicht zwischen den beteiligten Beschäftigten und Anteilseignern. Im Stadtrat hat seit Jahren jede Fraktion die Möglichkeit, eine Debatte über die Stadtwerke zu beginnen.

GA: Wann ist mit einer solchen Diskussion zu rechnen?

Kelber: Sie findet seit langem statt, in den Aufsichtsräten. Aber in der Tat muss man jetzt die breitere Öffentlichkeit aktiv suchen. Die SPD wird spätestens im Januar 2008 ein Positionspapier vorlegen. Wir laden dann alle anderen Parteien, die sich jetzt beschweren, aber nie Initiative ergriffen haben, zur Diskussion ein.

GA: Wie wollen Sie die Unruhe bei den Stadtwerke-Mitarbeitern beenden?

Kelber: Es gibt zwei Formen von Unruhe. Gerüchte, gegen die man nichts tun kann, und die Unsicherheit über ein mit allen zu besprechendes Zukunftskonzept. Da wird die Geschäftsführung nachbessern müssen.

GA: Würden Sie den Kunden der SWB empfehlen, bei Strom und Gas den Anbieter zu wechseln?

Kelber: Ich bin selbst Kunde der Stadtwerke Bonn und werde dies bleiben. Die Servicequalität, aber auch das Ökostromangebot überzeugen mich. Die Stadtwerke Bonn müssen aber preislich besser werden und dies schnell. Als Verbraucherschutzexperte habe ich zwei Warnungen an Wechselwillige: Nicht zu Anbietern mit Vorkasse wechseln, sonst ist bei einer möglichen Insolvenz viel Geld verloren.

Und möglichst nicht zu den Tochterfirmen der heutigen Monopolisten wechseln, sonst sind die 10 Euro Ersparnis von heute die 30 Euro Verlust von morgen, wenn die Monopolisten ohne Konkurrenten wie die Stadtwerke alleine den Markt bestimmen können.

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