Schulterschluss der Generationen

Tastatur- und Mausschulung, der Umgang mit Microsoft Windows oder die Bildbearbeitung: Schüler des List-Berufskollegs bringen derzeit Senioren der Begegnungsstätte Dürenstraße die Arbeit am Computer bei.

Schulterschluss der Generationen
Foto: Christian Jacob

Bad Godesberg. "Ich will einfach nur schreiben, ich bin zu faul, um das Programm Word zu lernen", erklärt Harro Spitzer sein Anliegen. "Okay, hier können Sie Ihren Text markieren, kopieren und dann in ein leeres Word-Dokument einfach einfügen", antwortet Stefan Zehnpfennig seinem "Schüler" geduldig. Erste oder weiterführende Schritte am Computer eignen sich nicht wenige Senioren in der Regel eher im Rahmen eines VHS-Kurses an.

Harro Spitzer indes ist einer von derzeit acht Senioren, die an einem ungewöhnlichen Kooperations-Projekt zwischen der Seniorenbegegnungsstätte Offene Tür Dürenstraße und elf Schülern des Friedrich-List-Berufskollegs teilnehmen.

An diesem zweistündigen Nachmittag bietet Zehnpfennig, Schüler der Mittel- und Oberstufe der dreijährigen Höheren Berufsfachschule mit Schwerpunkt Informationsverarbeitung, gemeinsam mit seinen Mitschülern Abdulrahman Machaka, Hewdie Rybacki sowie Marko Spajic den Teilnehmern eine auf ihren Bedarf und ihre Interessen abgestimmte individuelle Hilfestellung.

Kontakt Offene Tür Dürenstraße, Dürenstraße 2a, 53173 Bonn, Telefon: (02 28) 35 72 20, Email: info@ot-godesberg.deDoch nicht nur die Tastatur- und Mausschulung, der Umgang mit Microsoft Windows oder die Bildbearbeitung steht dabei im Vordergrund. Zu den Zielen des langfristig ausgerichteten Projekts gehört neben sozialem Engagement im Stadtteil vor allem auch, den Austausch der Generationen zu fördern.

Einige der Schüler haben einen Migrationshintergrund und verstehen den Einsatz in ungewohnter Lehrerrolle daher außerdem als echte Chance, Vorurteile abzubauen. "Die Stimmung in Godesberg ist diesbezüglich ja nicht so gut", bestätigt Edith Koischwitz von der Offenen Tür und freut sich über den offensiven persönlichen Ansatz.

Aus pädagogischer Sicht soll neben der Fachkompetenz auch die Methoden- und Sozialkompetenz der jungen Erwachsenen gefördert werden: "Schließlich sind Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Lernkompetenz sowie Durchhaltevermögen, Selbstständigkeit und andere als Schlüsselqualifikationen geltende Fähigkeiten wesentlich, um im späteren Lebensverlauf beruflich wie privat einen Platz zu finden", erklärt Jessica Pretzel, Lehrerin am Friedrich-List-Berufskolleg.

Sie hat die Idee gemeinsam mit ihrem Kollegen Jörg Bleßmann auf den Weg gebracht und ist auf Edith Koischwitz von der Offenen Tür zugegangen. Dann ging alles ganz schnell: "Wir haben zwei Schülerteams gebildet, die während ihrer Ausbildung zum staatlich geprüften kaufmännischen Assistenten die Senioren einmal pro Woche nach Schulschluss ehrenamtlich beim Umgang mit dem Computer besuchen und betreuen", blickt Pretzel zurück.

Die Arbeitsatmosphäre ist offen, locker, entspannt und freundschaftlich. Keiner der jungen Männer in der Dozentenrolle steht vorne an einer Tafel, sondern jeder widmet sich persönlich den Fragen "seines" wesentlich älteren Schülers. "Die Senioren freuen sich schon Tage vor den Veranstaltungen auf die Begegnungen und sprechen nur von ,unseren Jungs"", sagt Koischwitz.

Das Projekt hat sich auch in den Köpfen der Protagonisten mit den überdurchschnittlichen IT-Kenntnissen verankert: "Wir möchten auch erreichen, dass die Leute nicht immer denken, wir Jugendliche kümmern uns nicht um die ältere Generation", kontert Stefan Zehnpfennig ein weiteres weit verbreitetes Vorurteil.

Dass die außerschulische Tätigkeit im Ehrenamt keine Vergütung erfährt, spricht für sich. So ganz ohne Lohn müssen sich die "Jungs" aber nicht begnügen: "Am Ende der Kurse steht ein qualifiziertes Zeugnis für jeden einzelnen über die ehrenamtliche Tätigkeit in einer öffentlichen Institution als Ergänzung der persönlichen Bewerbungsunterlagen", verrät Edith Koischwitz.

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