Missbrauchsfälle: Ako-Schüler wird zum Übergriff durch Pater befragt

Dienstagmittag ist es soweit. Die Staatsanwaltschaft Bonn nimmt als erste bundesweit Ermittlungen auf wegen des Verdachts des sexuellem Missbrauch an einem deutschen Jesuiteninternat, hier dem Aloisiuskolleg.

Missbrauchsfälle: Ako-Schüler wird zum Übergriff durch Pater befragt
Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg. Dienstagmittag ist es soweit. Die Staatsanwaltschaft Bonn nimmt als erste bundesweit Ermittlungen auf wegen des Verdachts des sexuellem Missbrauch an einem deutschen Jesuiteninternat, hier dem Aloisiuskolleg (Ako).

Man habe den Sachverhalt geprüft. "Jetzt können wir die Polizei schicken, damit die den Jungen anhört", sagt Oberstaatsanwalt Fred Apostel dem General-Anzeiger.

Wie berichtet, hatte sich am Montag erstmals ein noch am Kolleg lernender Oberstufenschüler als eines der Missbrauchsopfer des Anfang 2009 in ein Pflegeheim übergewechselten Ex-Internats- und Schulleiters erklärt. 2005 soll der Pater versucht haben, den Schutzbefohlenen in der Dusche des Internats gegen dessen Willen abzuseifen.

"Damit wäre dieser Fall als erster bei uns eingebrachter nicht verjährt", sagt Apostel. Er geht davon aus, dass die Schule Interesse daran hat, dass der Junge sofort seine Aussage machen könne. "Dann kann alles sehr schnell gehen."

Derweil hat Ursula Raue, seit 2007 unabhängige Mediatorin des Jesuitenordens für Missbrauchsfälle, in ihrem Berliner Büro ebenfalls "die Täter im Visier". Die protestantische Anwältin steht seit rund drei Wochen im Focus des Interesses.

Täglich kämen neue Vorfälle rein, sagt Raue dem GA. Die Juristin hat schon 1993 bis 1997 als Präsidentin des Juristinnenbunds und dann als erste Präsidentin der Opferschutzorganisation "Innocence in Danger", die sich mit sexuellem Missbrauch im Internet beschäftigt, Profil gezeigt.

Vergangenen Donnerstag bei ihrer Pressekonferenz hat sie die Daten übers Ako zurückgehalten. Auch jetzt will sie genaue Zahlen noch nicht nennen. Aber das Ako habe unter allen Jesuiteninternatsschulen "schon eine ganz eigene Geschichte".

Zwar war auch dort ein des Missbrauchs Anfang der sechziger Jahre in Verdacht geratener und inzwischen verstorbener Jesuitenpater zwecks Problemlösung einfach nur versetzt worden. Aber der zweite beschuldigte Pater, heute 82 Jahre alt und im Pflegeheim, wirkte am Ako über vier Jahrzehnte von 1967 bis 2008 - davon 26 Jahre in leitender Funktion. "Das war zweifellos in der Hierarchie begründet", sagt Raue.

Die Vorwürfe gegen den Ex-Internats- und Schulleiter reichen laut Ako-Sprecher Robert Wittbrodt von voyeuristischen Blicken und dem Fotografieren von nackten Schülern sowie Duschen mit Internatsjungen über anales Fiebermessen bis zum Einseifen der Jungen. Diese Vorwürfe prüft Raue derzeit. Sie halte sich allein an den Tatbestand.

"Aber da gibt es dann die juristischen Fallstricke, dass man sexuelle Absicht beweisen muss." Da bestehe Interpretationsbedarf.

Letztlich sei das Empfinden der Opfer, verletzt worden zu sein, subjektiv. "Gerade da gibt es eine Lücke im Strafrecht." Wer sich die traurigen Fälle anschaue, komme unweigerlich zur Erkenntnis, dass der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs sehr viel früher ansetzen müsse als im Strafrecht vorgesehen, kritisiert die Anwältin.

Sie werde demnächst ans Aloisiuskolleg kommen und Gespräche führen. Und wie schätzt sie die Möglichkeit ein, dass der beschuldigte Pater sich vor Gericht verantworten müsse, falls die Staatsanwaltschaft ihn für schuldig befindet? Raue seufzt. Sie weiß, was die Diagnose Demenz in dem Fall bedeuten kann.

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