Missbrauch am Aloisiuskolleg in Bad Godesberg Missbrauch am Aloisiuskolleg: Zwei Patres sind besonders im Visier

Die Beauftragte für Jesuitenschulen, Ursula Raue, bespricht bei ihrem Bonn-Besuch mit der Leitung des Aloisiuskollegs die Vorfälle.

  Aus Berlin gekommen:  Ursula Raue vergleicht mit der Leitung des Bad Godesberger Aloisiuskollegs dessen Erkenntnisse mit den ihren.

Aus Berlin gekommen: Ursula Raue vergleicht mit der Leitung des Bad Godesberger Aloisiuskollegs dessen Erkenntnisse mit den ihren.

Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg. Die zierliche blonde Frau, die da am Montag aus Berlin ins Aloisiuskolleg (Ako) angereist ist, wirkt für die Schüler auf den ersten Blick sicher nicht wie ein "Promi".

Und doch hat die Jesuitenschule an diesem Nachmittag eine der wichtigsten Personen in der Aufdeckung der aktuellen Missbrauchsfälle an katholischen Schulen zu Gast. "Unabhängig war gut, Qualifikation war gut, und Frau war gut", beschreibt Ursula Raue im GA-Gespräch die drei Eignungsmerkmale, die 2007 zu ihrer Anstellung als Missbrauchsbeauftragte des katholischen Ordens geführt hatten.

"Dass ich evangelisch bin, haben die erst später erfragt." Raue lacht. Und dann ist sie schon mitten in dem Thema, das sie seit der Aufdeckung der ersten Übergriffsfälle im Berliner Canisius-Gymnasium permanent beschäftigt.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Unorthodoxes gewagt"Sie habe gerade mit dem Ako-Leitungsstab die Erkenntnisse über die Missbrauchsfälle an der Godesberger Elisabethstraße verglichen.

Wie berichtet, kommen nach Ansicht der Schule momentan für die Zeit von 1946 bis 2005 sechs Jesuitenpater des Ako als Täter in Betracht. 30 Opfer hat das Kolleg bislang aufgelistet. "Meine Erkenntnisse stimmen weitestgehend mit denen des Ako überein. Sie gehen nur in ein paar Punkten darüber hinaus", sagt Ursula Raue am Montag nach ersten Gesprächen.

Sie will ihren Bericht über das Ako in den nächsten Wochen öffentlich machen. Die meisten Vorwürfe konzentrierten sich bei ihr und dem Ako auf zwei Patres: zum einen auf den auch von dem heute 62-jährigen Opfer aus Bayern in der Süddeutschen Zeitung und im GA belasteten Ako-Jesuiten, der von 1946 bis zu seiner Versetzung 1962 an Godesberger Schulen Lehrer war.

Offensichtlich stimmt er mit dem Täter überein, den am Samstag im GA ein heute 76-jähriges Opfer für das Jahr 1946 genannt hatte. Der Mann hatte wohl fälschlicherweise vermutet, der Orden habe den Täter schon Ende der 40er Jahre versetzt. Noch Anfang der 60er wurde dieser Pater aber gegen den Mann aus Bayern und andere übergriffig.

Die meisten bei Ursula Raue und dem Ako gemeldeten Missbrauchsfälle gehen aber aufs Konto des derzeit im Pflegeheim lebenden 82-jährigen Ex-Internats- und Schulleiters. Gegen ihn wird, wie berichtet, nach der Opferaussage eines heutigen Ako-Schülers wegen eines Falls aus dem Jahr 2005 bei der Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt. "Das ist also beim Ako anders als an allen anderen Jesuitenschule, zu denen ich Fälle aufnehme: Hier gehen die Vorwürfe bis in die Jetzt-Zeit", sagt die Missbrauchsbeauftragte dem GA.

Wird es aber zur Anklage kommen? Es sei ein Problem, wie der Straftatbestand beurteilt werde, antwortet Raue. Erst bei körperlicher Berührung könne vorgegangen werden. Aber Einseifen eines nackten Schülers durch den Pater entspreche doch diesem Tatbestand? Ja sicher, meint Raue. Aber dann käme die nächste Klippe. "Ist der Mann verhandlungsfähig? Das kann ich nicht beantworten. 2007, als ich ihn sah, war er es noch."

Im Fall der durch ein Buch eines Ex-Ako-Schülers 2004 angestrengten Nachforschungen hätten die Vorwürfe gegen denselben Pater nicht ausgereicht, um ihn vom Internat zu verbannen, sagt Raue. Sie selbst war damals beauftragt zu vermitteln. Es habe aber kein Mediationsverfahren stattgefunden, widerspricht sie.

Die Kontrahenten hätten nie an einem Tisch gesessen. Das Opfer habe anonym bleiben wollen. Und warum durfte ein in Verdacht geratener Pater bis 2007 im Internat und bis Anfang 2009 auf dem Ako-Gelände bleiben? "Da habe ich ganz auf Pater Schneider vertraut", sagt Raue nachdenklich. Wie berichtet, legte Theo Schneider Anfang Februar sein Rektorenamt nieder.

Sie selbst habe in den letzten Wochen durch die Schilderungen der Opfer gelernt, wie unglaublich tief die Verletzungen gegangen seien, betont Raue. Bei den Betroffenen wirkten unvermindert Scham- und Ekelgefühle nach. Auf die Frage nach möglichen Entschädigungen sagt Raue, sie sei Anwältin für die Jesuiten und die Opfer und könne ein solches Ansinnen nur weiterleiten. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen, die sich bei ihr meldeten, wollten kein Geld, sondern Aufklärung der Taten, "damit so etwas nie wieder passiert".

Wichtiger als finanzielle Entschädigungen seien ehrliche, greifbare Zeichen der Reue bei den Institutionen. "Die Opfer müssen das Gefühl haben, ernst genommen zu werden." Und es müsse weitergehen mit der Aufklärung.

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