Klima für offene Gespräche

Mit Unterstützung der Hannah-Stiftung richtet das Tannenbusch-Gymnasium einen Seelsorgeraum ein

  Religiöse Symbole  schmücken die Wand des Raumes, den Schulseelsorgerin Agnes Benack, Volker Wiedeck und die Künstlerin Ina Zeuch (von links) gestaltet haben.

Religiöse Symbole schmücken die Wand des Raumes, den Schulseelsorgerin Agnes Benack, Volker Wiedeck und die Künstlerin Ina Zeuch (von links) gestaltet haben.

Foto: Holger Handt

Bonn. "Ich weiß, dass in diesem Raum etwas Gutes passiert." Volker Wiedeck, der Vater von Hannah, die vor fast zwei Jahren in Oberdollendorf vergewaltigt und ermordet wurde, ist sich ganz sicher.

Am Montag wurde im Tannenbusch-Gymnasium ein spezielles Zimmer eingeweiht, das in Kooperation mit der Hannah-Stiftung eingerichtet wurde. Hier sollen Schüler und Eltern in Ruhe Gespräche mit Fachkräften führen können.

Ruhe ist die wichtigste Voraussetzung für ein offenes Gespräch. Diese Erfahrung haben Wiedeck und seine Familie gemacht, als sie nach dem schrecklichen Tod ihrer 14-jährigen Tochter von Seelsorgern und Psychologen betreut wurden.

Kurz gefragt Lesen Sie dazu auch das Interview mit Hannahs Vater: "Es ist, als wenn man einen Teil aus unserem Körper herausgerissen hätte"Zu den unzähligen Kontakten, die Wiedeck seitdem knüpfte, zählt auch Agnes Benack. Die evangelische Pfarrerin ist Seelsorgerin und Religionslehrerin am Tannenbusch-Gymnasium. Sie hat dort ein Beratungsangebot aufgebaut, das die Schüler in ihrer Individualität sieht und in ihrer Entwicklung begleiten möchte. Wiedeck, der Benack durch die Notfall- und Motorradseelsorge kennenlernte, überzeugt das Konzept. Aus einer ehemaligen Rumpelkammer wurde mit finanzieller Unterstützung der Stiftung ein SOS-Schulseelsorgeraum.

Die Wände gestaltete die Bonner Künstlerin Ina Zeuch mit den Symbolen der sechs Religionsgemeinschaften, denen die Tannenbuscher Schüler angehören - Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus und Taoismus. Mitgewirkt bei der Gestaltung hat auch die Heisterbacherrotter Malermeisterin Claudia Harf-Dahm.

Das Tannenbusch-Gymnasium bietet ein interessantes Modell an. Neben einem Sportzweig, den Leistungssportler aus dem gesamten Bundesgebiet besuchen, gibt es einen Musikzweig und den Traditionszweig für Schüler aus dem Stadtteil, die zu 80 bis 90 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Das bringt Chancen, aber mitunter auch Probleme mit sich. Eine enge Begleitung und Beratung durch geschultes Personal macht da besonderen Sinn.

Bisher fanden solche Gespräche in der Bibliothek wie auf einem Präsentierteller statt. "Jetzt haben wir einen geschützten Raum, der von außen nicht einsehbar ist. Er bietet ein anderes Gesprächsklima für offene Gespräche", sagt Benack.

Die Anliegen der Schüler reichen nach ihrer Auskunft von einer schlechten Selbstorganisation bis hin zu massiven Problemen im familiären Umfeld. Manchmal muss Agnes Benack sie auch an andere Beratungsstellen verweisen. Dabei kommen die Problemfälle keineswegs allein aus dem Traditionszweig mit seinen vielen Schülern mit Migrationshintergrund. Schließlich ist der Besuch des Gymnasiums für diese Schüler und ihre Familien in der Regel schon ein Erfolg.

Aufschlussreich ist das Wahlverhalten der Gymnasiasten ab dem neunten Schuljahr, wenn sie sich zwischen Religionsunterricht und dem Fach "Praktische Philosophie" entscheiden können. "50 Prozent wählen PP. Die andere Hälfte teilt sich auf den katholischen und evangelischen Religionsunterricht auf", sagt Benack. Dabei nähmen durchaus auch Schüler anderer Konfessionen am Religionsunterricht teil. "Es ist eine Bereicherung, dass wir verschiedene Kulturen und Religionen an der Schule haben", stellt die Pfarrerin das Positive in den Vordergrund.

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