Tödliche Messerattacke in Tannenbusch Hinweise auf Familiendrama verdichten sich

TANNENBUSCH · Der 21-Jährige soll am vergangenen Donnerstag nach einem Übergriff des Schwagers auf seine Schwester zum Messer gegriffen haben.

Nach der tödlichen Messerattacke eines 21-Jährigen auf einen 26-Jährigen am vergangenen Donnerstag an der S-Bahn-Haltestelle Tannenbusch-Mitte verdichten sich die Hinweise darauf, dass es sich um eine Familientragödie gehandelt hat. Laut eines Gewerbetreibenden, der sein Geschäft in der Nähe des Tatortes hat und der den 21-Jährigen zu seinen Stammkunden zählt, soll sich der junge Mann an seinem Schwager "gerächt haben".

Dabei soll es sich um einen lange währenden Konflikt in einer türkisch-kurdischen Familie gehandelt haben. Diese Version bestätigte auch ein junger Mann, der angab, den mutmaßlichen Täter gut zu kennen.

Entzündet habe sich der Streit, so der Geschäftsmann, an Übergriffen des 26-Jährigen auf seine Frau, der Schwester des 21-Jährigen: "Er hatte seine Frau geschlagen und zwar mehrfach", sagte der Gewerbetreibende, der anonym bleiben will. Auch weiß er zu berichten, dass der 26-Jährige den 21-Jährigen erst kurz vor der Messerattacke verprügelt haben soll.

Trotzdem war für ihn die Tat seines Stammkunden, der zunächst in einem Dönerladen und dann für einen Paketdienst gearbeitet haben soll, völlig unbegreiflich: "Ich habe noch keinen Jungen in seinem Alter erlebt, der so respektvoll und friedlich mit anderen umgegangen ist." Er sei total sensibel gewesen, weshalb der Bekannte des 21-Jährigen die Tat zunächst auch gar nicht glauben wollte.

Möglicherweise sei es zu der Eskalation gekommen, weil der junge Mann schlicht durchgedreht sei, vermutet der Geschäftsmann. So habe er ihm in den vergangenen Wochen immer wieder von psychischen Problemen berichtet: "Die Schwierigkeiten in der Familie haben ihn unter Druck gesetzt." Zweifel hegt er auch an dem tatsächlichen Alter des mutmaßlichen Täters, der - wie berichtet - seit Freitag in Untersuchungshaft in einem Kölner Gefängnis sitzt. "Meines Wissens nach ist er jünger", so der Geschäftsmann.

Oberstaatsanwalt Robin Faßbender, Sprecher der Bonner Staatsanwaltschaft, bestätigte, dass man bei der Tat des 21-Jährigen ebenfalls in die Richtung der beschriebenen Familientragödie ermittelt. "Von einem Racheakt zu sprechen, soweit würde ich allerdings nicht gehen", führte Faßbender aus. Richtig sei aber, dass es in der Familie "bereits Einsätze wegen häuslicher Gewalt gegeben hat". Es komme nun bei den weiteren Ermittlungen darauf an, "dass die Zeugen auch mit uns reden", betonte der Oberstaatsanwalt. Der 21-Jährige muss sich wegen Totschlags verantworten.

Was den jungen Angreifer angeht, fehlen Faßbender bislang konkrete Anhaltspunkte, die ihn an dem bisher genannten Alter zweifeln lassen. Freilich sei eine fehlerhafte Altersangabe nichts Ungewöhnliches für eine türkischstämmige Familie, die zuvor auf dem Land gelebt habe, so Faßbender.

Oft komme es nämlich vor, dass beim Umzug in die Stadt und der Anmeldung der Kinder dort das Alter ab dem Tag der Anmeldung gezählt wird. "Seien Sie aber sicher, dass die Verteidigung das sofort aufs Tapet bringt, wenn es dafür einen Grund gibt", so Faßbender. Wäre der mutmaßliche Messerstecher jünger als 21, müsste entschieden werden, ob er im Fall eines Schuldspruchs nach Jugend- oder Erwachsenenrecht verurteilt wird. Ab 21 Jahre gilt das Erwachsenenstrafrecht.

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