Fürs Leben gebrandmarkt

Da steht er also erstmals seit Jahrzehnten wieder vor seiner ehemaligen Schule. Der 72-jährige Professort Gernot Lucas ist eines der bundesweit wenigen Opfer sexuellen Missbrauchs, die mit ihrem Namen für die Aufklärung des Skandals am Bad Godesberger Aloisiuskolleg geradestehen.

 Protest vor dem Aloisiuskolleg: Gernot Lucas zeigt die Gedenktafel des Eckigen Tischs, die er nicht an der Schule aufhängen darf.

Protest vor dem Aloisiuskolleg: Gernot Lucas zeigt die Gedenktafel des Eckigen Tischs, die er nicht an der Schule aufhängen darf.

Foto: Roland Kohls

Bad Godesberg. Da steht er also erstmals seit Jahrzehnten wieder vor seiner ehemaligen Schule. "Diese Treppe musste ich als Junge hoch und dann linkerhand in sein Zimmer, wenn der Pater mich zu sich rief", zeigt Professor Gernot Lucas hinter sich zum Aloisiuskolleg (Ako).

Der 72-Jährige ist eines der bundesweit wenigen Opfer sexuellen Missbrauchs, die mit ihrem Namen für die Aufklärung des Skandals geradestehen. Und der Architekt und emeritierte Architekturprofessor trägt in Wissenschaft und Gesellschaft einen prominenten Namen, einen, mit dem sich das Ako bislang überaus gerne in seiner Abgängerschar schmückte.

60 Jahre nach den gewaltsamen Übergriffen eines der nun in der schulischen Missbrauchsaufarbeitung am meisten belasteten Jesuitenpaters hat Gernot Lucas, eines seiner Opfer, endlich klar Schiff gemacht und seine schrecklichen Erinnerungen erst seiner Ehefrau und Familie und dann der Öffentlichkeit erzählt.

Seitdem ist ein Ruck durch diesen Ehrfurcht einflößenden, weißbärtigen Mann gegangen. Er nimmt kein Blatt mehr vor den Mund und gibt nach der GA-Berichterstattung auch überregional bereitwillig Auskunft zu den schmerzlichen Folgen für die Opfer. Mit der Aktion vor dem Ako macht er nun selbst Nägel mit Köpfen.

Drüben auf dem Jesuitenfriedhof liegt mit anderen auch der Täter, der "mich damals zerstört hat", begraben, weiß er. Wie berichtet, ist kürzlich hier auch der ehemalige Ako-Schulleiter begraben worden, gegen den die Staatsanwaltschaft bis zuletzt wegen bis 2005 begangener Übergriffe auf Internatsschüler ermittelte.

Der Professor teilt kräftig aus gegen die für ihn verlogene Sexualmoral der Katholischen Kirche und gegen den heutigen Papst, der eben in seinen Godesberger Jahren im Ako ein- und ausgegangen war. Lucas wirft Benedict in auch internationalen Fällen Mitwisserschaft vor. "Ich fühle mich verpflichtet, von den Verantwortlichen einzufordern, dass sie Verantwortung übernehmen. Alles andere ist Heuchelei."

Und dann erinnert er sich hier vor der großen Eingangstreppe wieder an seinen "Peiniger", wie der zwischen 1950 und 1952 immer genau schaute, dass niemand beobachtete, wie er den kleinen Gernot an so vielen Nachmittagen heimlich in sein Zimmer schleuste und sich an ihm körperlich befriedigte.

Als Neunjähriger war der Junge dem übergriffigen Jesuiten schon bei der Aufnahmeprüfung aufgefallen. Körperlich ganz nah sei der Pater ihm schon da gerückt. "Er hat mich fürs Leben gebrandmarkt." Der Pater selbst konnte von 1946 bis 1961 unbehelligt am Ako leben und mit männlichen Schülern arbeiten.

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