Prozess in Bonn "Es ist ein Verbrechen, das seinesgleichen sucht"

BONN · Im Prozess um Massenvergewaltigung einer 20-Jährigen schickt Jugendstrafkammer drei der Haupttäter für elf Jahre hinter Gitter - Opfer wird ewig unter Trauma leiden

 Tatort Schutzhütte: Im Derletal in Duisdorf geschah das Verbrechen.

Tatort Schutzhütte: Im Derletal in Duisdorf geschah das Verbrechen.

Foto: Malsch

Es ist totenstill im Gerichtsaal, als die Jugendstrafkammer im Prozess um die Massenvergewaltigung einer jungen Frau am Mittwochabend die ersten Urteile gegen fünf der acht Angeklagten verkündet: Das Gericht verurteilt drei von ihnen, 23, 25 und 26 Jahre alt, wegen besonders schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung zu jeweils elf Jahren Haft - und überbietet damit sogar den Staatsanwalt, der zehn und zehneinhalb Jahre gefordert hatte.

Außerdem müssen die drei gemeinsam 20 000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zahlen und für alle zukünftigen, aus der Tat resultierenden Schäden aufkommen. Der erst 18-jährige Angeklagte, der jede Tatbeteiligung bis zuletzt bestritt, vom Opfer jedoch wiedererkannt wurde, wird für sechseinhalb Jahre hinter Gitter geschickt.

Seine Freundin im Zuschauerraum schluchzt auf und weint während des gesamten Urteils. Weder sie noch seine Familie können glauben, dass er zu so etwas fähig ist und beteuern: Er sei ein so braver, guter Junge.

Das aber, so Kammervorsitzender Klaus Haller, sieht das Gericht völlig anders. Der fünfte Angeklagte, der an diesem 31. Januar 21 Jahre alt wird, kommt mit zehn Monaten Haft auf Bewährung davon: Er hat nicht mitgemacht bei der Massenvergewaltigung - ihr aber auch nicht Einhalt geboten oder Hilfe für das Opfer geholt. Das ganze Ausmaß des Albtraums, den die junge Frau in jener Nacht des 7. Mai 2006 durchmachte ( der GA berichtete), wird noch einmal lebendig, als Richter Haller den Ablauf der Tat schildert. Und ein Verdacht verdichtet sich: Die 20-Jährige wurde als Opfer gezielt ausgesucht und dargeboten.

Sie kam an jenem Abend zusammen mit einer Gruppe russlanddeutscher Jugendlicher aus Köln, einer Gruppe, die mit den Bonner Russlanddeutschen befreundet ist, zu der Geburtstagsparty einer jungen Frau aus der Bonner Truppe, die an der Schutzhütte im Derletal in Duisdorf stattfand. Die Party, so Richter Haller, war zwar fröhlich, doch eins fehlte den Männern: Frauen. Außer dem Geburtstagskind war keine da.

Und so wurde telefoniert, und schließlich reisten die Kölner an - mit der 20-Jährigen als einziger Frau. Und als die Kölner Gruppe verschwand, ließen sie die junge Frau einfach zurück.

Wenig später begann ihr Martyrium: Sie wurde sexuell bedrängt, wollte weglaufen und wurde von hinten niedergeschlagen. Dann wurde sie mehr als sechs Stunden lang geschlagen, getreten, an den Haaren gezogen, gewürgt, laut Urteil von dem 18-Jährigen mit dem Messer bedroht - und von sechs Männern wieder und wieder und wieder vergewaltigt.

Einer filmte mit seinem Handy, nun ist der Film mit Ton ein wichtiges Beweismittel. Staatsanwalt Jens Schiminowski sprach in seinem Plädoyer von einem Akt reiner Menschenverachtung und attestierte den Tätern eine Gesinnung, die man vor einem Bonner Gericht noch nie erlebt habe: "Solche Taten findet man sonst nur als Kriegsverbrechen."

Wie sehr das Opfer traumatisiert ist, hob auch dessen Anwältin Gudrun Roth noch einmal hervor. Die junge Frau habe in ihrer Todesangst während der ganzen Stunden nur noch eins gedacht: "Jetzt ist es aus." Für die Anwältin steht fest: "Sie wird bis an ihr Lebensende unter den Folgen leiden." Und auch Richter Haller stellt fest: "Es ist ein Verbrechen, das seinesgleichen sucht."

Gegen die drei übrigen Angeklagten wird der Prozess fortgesetzt: Einer von ihnen bestreitet die Tat, soll aber auf dem Handyfilm zu hören sein. Nun ist ein Stimmengutachter gefragt. Den beiden anderen wird außer der Vergewaltigung noch ein weiterer Überfall mit schwerer Körperverletzung vorgeworfen.

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