Jean Faure Einer der bekanntesten Bonner Franzosen im Interview

BONN · In Bonn leben 1747 Französinnen und Franzosen. Einer der bekanntesten, zumindest in kultureller Hinsicht, ist Jean Faure. Er kam 1969 als Student nach Bonn und blieb. Hauptberuflich arbeitet Faure als Sprecher bei Film, Funk und Fernsehen. Aber auch aus seinem Hobby, der Musik, wurde schnell mehr. Faure belebte die Bonner Folkszene, wurde Gründungsmitglied und Sänger der Kabarettrevue Pink Punk Pantheon. Seit fünf Jahren hat er Erfolg mit seinen Chansonprogrammen.

 Chansons mit Charme: Jean Faure interpretiert französische Lieder von Georges Brassens, Jacques Brel und anderen Größen des Genres.

Chansons mit Charme: Jean Faure interpretiert französische Lieder von Georges Brassens, Jacques Brel und anderen Größen des Genres.

Foto: Agentur

Mehr als die Hälfte Ihres Publikums ist weiblich. Wie kommt's?
Jean Faure: Wie? Was? Davon weiß ich gar nichts. Wer behauptet das?

Die Konzertveranstalter beobachten dieses Phänomen.
Faure: Ich habe mich noch nie mit diesem Thema beschäftigt.

Aber Sie geben zu, dass Französisch eine sinnliche Sprache ist?
Faure: Französisch hat einen besonderen Klang, manche französische Chansons leben vom erotischen Akzent. Aber ich wäre da vorsichtig. Vieles ist Klischee.

Wirklich? Worum geht es denn in den Liedern, die Jean Faure im Repertoire hat?
Faure: Nun, beim Blick auf meine letzten drei Konzertprogramme muss ich gestehen, dass es bei 60, 70 Prozent der Lieder um die Liebe in all ihren Formen geht.

Zum Beispiel?
Faure: In "La complainte du progrès" singt Boris Vian davon, wie die Liebe funktioniert: Früher hätte man eine flammende Liebeserklärung gemacht, doch mittlerweile müsse man eine Liste von Geräten erstellen, die man seiner zukünftigen Frau schenken wird, um ihre Gunst zu bekommen.

Hat Vian dieses Chanson nicht schon in den fünfziger Jahren geschrieben?
Faure: Ja, ja, er war seiner Zeit voraus. ein wahrer Prophet.

Wie wählen Sie Ihre Stücke aus?
Faure: Lust.

Zum Beispiel "Nathalie", das man von Gilbert Bécaud kennt. Darin geht es ziemlich zur Sache, oder?
Faure: Ich singe es mit einem Augenzwinkern. Die Nummer stammt noch aus meiner Zeit bei Pink Punk Pantheon, wo die beiden Herren Fritz und Hermann lüstern hinter mit standen und lauschten.

Und was will uns der Evergreen "C'est si bon" sagen?
Faure: Ganz einfach: Es ist immer gut, mit der Frau unterwegs zu sein, mit ihr zu tanzen. Und auf der Straße beneiden uns die Leute, weil wir so toll aussehen. Schönes, einfaches Lied, keine große Literatur.

Große Literatur gibt es auch bei Faure. Was reizt Sie am Erbe des Chansonniers Georges Brassens?
Faure: Tolle Texte, viel Ironie. Und, ganz wichtig: diese unangepasste Art, sich kritisch zu vielen Dingen zu äußern und nicht mit der Menge zu marschieren. Seine Musik ist reichhaltig: teils komplizierte Melodien mit harmonischen Sprüngen. Es swingt, und es ist nicht leicht zu singen.

Was unterscheidet Brassens von Jacques Brel, dem Belgier?
Faure: Ein totaler Bühnenmensch. Ich habe ihn einmal live gesehen, 1966 in Aix-en-Provence. Ein Erlebnis. Besser als jeder Schauspieler. Und fein ziselierte Texte.

Was ist mit Serge Gainsbourg? Nur "Je t'aime", oder ist da mehr?
Faure: Mehr. Gute Texte, raffinierte Arrangements, aber er war total unsicher auf der Bühne. Er hat viel getrunken, um das zu kaschieren.

Welchen Reiz hat die Bühne für Jean Faure?
Faure: Man geht auf die Bühne, weil man eine Rampensau ist. Die Begegnung mit dem Publikum reizt mich. Das Singen selbst tut mir insgesamt gut, es hat etwas Kathartisches. Erst recht mit den Musikern meiner Band, die alle an einem Strang ziehen.

Teile des Repertoires fanden sich über die Jahre hinweg in den Sessionsprogrammen von Pink Punk Pantheon. War das Soloprojekt mit eigener Band ein Sprung ins kalte Wasser?
Faure: In gewisser Weise. Ich bin aber nicht deswegen bei PPP ausgestiegen. Ich wollte nach 20 langen Jahren einfach pausieren. Der Bonner Musiker Matthias Höhn hat mir eine Band zusammengestellt und, ohne mein Wissen, einen Konzerttermin organisiert. Diesen Tritt habe ich gebraucht, alleine hätte ich mir kein abendfüllendes Programm zugetraut.

Gleich das erste Konzert war ausverkauft, weitere folgten. Überrascht?
Faure: Ja. Aber man hat sofort gemerkt: Es funktioniert.

Das erste Album wurde überregional zur Kenntnis genommen...
Faure: ... was uns sehr gefreut hat.

Was fasziniert deutsches Publikum an Chansons? Liegt es daran, dass wir selber keine haben?
Faure: Auch. Ich habe im Rahmen meines Germanistikstudiums eine Arbeit über das politische Lied in Deutschland geschrieben. Und ich habe festgestellt, dass in den sechziger Jahren alle namhaften Liedermacher, also Reinhard Mey, Hannes Wader oder Franz Josef Degenhardt, die Lieder von Brassens gesungen haben. Das lag auch daran, dass deutsches Liedgut zuvor von den Nazis missbraucht worden war: Man brauchte also etwas Neues. Und Brassens verkörperte dieses Libertäre.

Was hindert Sie daran, eigene Lieder zu schreiben?
Faure: Man muss das können. Ich bin kein Schreiber.

Im Karneval war Faure stets der "Vereinsfranzose". Haben Sie sich dabei wohlgefühlt?
Faure Ja. Ich war eine kabarettistische Figur wie Fritz und Hermann. Man konnte alle Klischees ausbreiten. Trotzdem habe ich mir meine französische Identität bewahrt.

Wie ist es denn um diese Identität bestellt?
Faure: Schwierige Frage. Ich hätte den Mund halten sollen.

Aus dieser Nummer kommen Sie jetzt nicht mehr raus.
Faure: Nun, Frankreich hat mich geprägt. Meine entscheidenden Jahre habe ich dort verbracht. Ich bin erst Ende 1969, mit 23 Jahren, nach Bonn gekommen.

Warum Bonn?
Faure: Zufall. Mein Cousin, ein Journalist, hat eine Reportage über die Bundestagswahl im September 1969 geschrieben. Er hat mir ein paar Adressen in Bonn gegeben, weil er wusste, dass ich in Deutschland studieren wollte.

[kein Linktext vorhanden]Und Bonn war so aufregend?
Faure: Entscheidend war, dass das Bundespresseamt einen französischen Sprecher für seinen internationalen Rundfunkdienst suchte. Es gab zwei Bewerber, ich bekam den Job. Damit habe ich mein Studium finanziert.

Und dann kam irgendwann der Kontakt zur Bonner Folkszene?
Faure: Ja, man traf sich im Café 12 in der Wenzelgasse: Gisbert Haefs, Gerd Schinkel, Richard Bargel.

Wie war zu dieser Zeit Ihre Sicht auf Deutschland?
Faure: Ich bin mit Deutschland klar gekommen. Wenn es mir gestunken hätte, wäre ich zurück nach Frankreich. Trotzdem: Einige Dinge haben genervt.

Was hat genervt?
Faure: Diese Ernsthaftigkeit, vor allem in den Diskussionen, wo ich dachte: Mein Gott, seid doch ein bisschen lockerer! Wenn ich dann aber in Frankreich war, hat mir genau das andere Extrem gestunken, diese chaotischen Zustände, diese gewisse Oberflächlichkeit. Man hat zwei Seelen in seiner Brust, aber das ist bereichernd.

Hat Jean Faure von den Deutschen etwas gelernt?
Faure: Gelernt? Hm, ich fühle mich manchmal etwas sehr deutsch, so pingelig.

Also doch!
Faure: Ich möchte die Erfahrung allerdings nicht missen. Das Leben in einem anderen Kulturkreis öffnet den Horizont.

Nach dem Krieg gab es die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich, viel Schüleraustausch fand statt. Ist alles gut im Verhältnis der beiden Nationen?
Faure: Man hat manchmal den Eindruck, dass sich Deutsche und Franzosen nicht wirklich kennen. Mit der Einschränkung: Weil Frankreich ein Urlaubsland ist, kennen die Deutschen die Franzosen und deren Kultur besser als umgekehrt.

Vor allem die französische Küche?
Faure: Unter uns gesagt: Mitunter kann man in Deutschland sogar besser essen als in Frankreich.

Hört sich an wie ein Kompliment.
Faure: Ja, und Paris ist bei jungen Leuten nicht mehr das Zentrum des pulsierenden Lebens. Viele junge Franzosen zieht es nach Berlin.

Was aber ist mit dem Problem, das H korrekt auszusprechen?
Faure: Entschuldigung, aber ich kann das, ich hab's gelernt. Hier: H! H wie Haben und Sein. Das Problem ist nicht das H.

Sondern?
Faure: Ich habe Deutsch nach der Bühnenaussprache gelernt: ch wie Kirche. Dann komm ich ins Rheinland, und was muss ich hören?

Was wohl?
Faure: "Ich geh mal in die Kirsche" statt "in die Kirche". Wir würden ja gerne Deutsch sprechen, aber diese Kleinstaaterei hindert uns.

Kleinstaaterei?
Faure: Ja, diese vielen Dialekte in Deutschland.

In manchen Gegenden Frankreichs wird allerdings auch stark genuschelt.
Faure: Das sind aber keine Dialekte, nur Akzente.

Konzerttipps:
Faure mit Band, "Le Best of Deux", Pantheon, Do 30. August, 20 Uhr
Faure mit Rainer Pause und Norbert Alich, "Alle unsere Lieder", Pantheon, Fr 12. bis So 14. Oktober, jeweils 20 Uhr

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